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Verstoß: Unrechtmäßig Speicherung von Daten

  • Beschreibung
    Ein Jobcenter hatte die Daten des Klägers unrechtmäßig gespeichert und eine Akte für ihn angelegt, ohne die Daten weiter zu verwenden. Der Kläger begehrte Schmerzensgeld und darauf gerichtete PKH. Das OLG hielt im PKH-Beschluss ein Schmerzensgeld von 50,00 Euro für möglich, lehnte PKH jedoch ab, da der Kläger wirtschaftlich in der Lage sei, die Prozesskosten selbst zu zahlen.
  • Aktenzeichen
    OLG Hamm, Beschluss vom 19.12.2022 – 11 W 69/22
  • Kategorie(n)
    Sonstige Probleme
  • Betrag
    50 €

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 03.11.2022 gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Landgerichts Münster vom 29.09.2022 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

 

Gründe:

Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Landgerichts Münster vom 29.09.2022 erweist sich im Ergebnis als unbegründet.

I.

Prozesskostenhilfe ist gemäß § 155 Abs. 4 ZPO zu versagen. Die beabsichtigte Klage hat allenfalls in einem Umfang von bis zu 50,00 € hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 155 Abs. 1 ZPO.

Insoweit entstünden dem Kläger - berechnet nach einem Streitwert von 50,00 € - voraussichtlich folgende Kosten einer selbstfinanzierten Rechtsverfolgung:

Gerichtskosten: 114,00 € (drei Gebühren gem. § 34 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1210 KV)

Rechtsanwaltskosten: 239,55 € (1,3 Verfahrensgebühr: 63,70 €, 1,2 Terminsgebühr: 58,80 €, Auslagenpauschale: 20 €, Fahrtkosten (96 km x 0,42 €): 40,32 €, Abwesenheitsgeld: 30 €, zusammen: 212,82 €, zuzüglich Umsatzsteuer: 253,26 €)

Gesamtsumme: 367,26 €.

Nach dem Vortrag in der Beschwerde vom 03.11.2022, an dem der Kläger festzuhalten ist, geht der Kläger selbst davon aus, dass er im Falle einer Prozesskostenhilfebewilligung eine monatliche Rate i.H.v. 115,00 € zu zahlen hat. Der Betrag von vier Raten beträgt daher 460,00 € und übersteigt die voraussichtlichen Kosten einer erfolgversprechenden Rechtsverfolgung.

II.

1. In rechtlicher Hinsicht ist der Klageanspruch mit einem Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 Abs. 1, Art. 34 GG nicht erfolgreich zu begründen.

Dabei ist zunächst davon auszugehen, dass von Seiten der Beklagten den Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) nicht genügt wurde, als das Jobcenter in A im Jahre 2018 (personenbezogene) Personen- und Adressdaten des Klägers speicherte, obwohl dieser keinen Antrag auf eine Leistung gestellt hatte. Diesem auf Seite 4 des Schriftsatzes der Beklagten vom 18.05.2021 (Bl. 17 LG-Akte) geschilderten Sachverhalt ist der Kläger nicht entgegengetreten. Die insoweit angelegte E-Akte, hiervon geht die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 18.05.2021 selbst aus, war gemäß Art. 17 Abs. 1 a) DSGVO zu löschen, als mit der unterbliebenen Antragstellung kein Grund mehr vorlag, sie weiter zu speichern. Die Löschung erfolgte dann, nachdem der Kläger diese bereits im März 2020 beantragt hatte, am 18.03.2021. Die rechtswidrige Verarbeitung personenbezogener Daten, hierzu gehört auch ihre rechtswidrige Speicherung, im Bereich der öffentlich-rechtlich tätigen Arbeitsverwaltung könnte grundsätzlich (auch) als Amtspflichtverletzung zu bewerten sein. Aus einem Datenmissbrauch insoweit kann sich eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ergeben, die einen Anspruch auf immateriellen Schadensersatz zur Folge haben kann.

Ob der Amtshaftungsanspruch in diesem Sinne tatbestandlich begründet ist, bedarf im vorliegenden Fall keiner weiteren Prüfung, weil die infrage stehende Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung jedenfalls die Bagatellschwelle nicht überschreitet und damit auf der Grundlage des Amtshaftungsanspruchs kein Schmerzensgeld rechtfertigt (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 2003, III ZR 9/03, juris, Rn. 44). Zu berücksichtigen ist insoweit, dass „nur“ eine unzulässige Speicherung von personenbezogenen Daten des Klägers - seine Namen und seine Adresse - in einem überschaubaren Zeitraum von allenfalls drei Jahren infrage steht, ohne dass eine unzulässige weitere Verwendung der Daten, insbesondere ihre unzulässige Weitergabe an Dritte, ersichtlich geworden ist. Das allein unzulässige Abspeichern von personenbezogenen Daten, die nicht weiterverarbeitet werden, ist zwar in der Sache ein Verstoß gegen die genannte Vorschrift des Datenschutzes, aber einer, der als solcher einen Betroffenen nur geringfügig belastet. Eine weitere Verarbeitung von unzulässig erlangten Daten im Rahmen einer behördlichen Tätigkeit ist zwar denkbar, aber im Fall der Bundesanstalt für Arbeit eher fernliegend, nachdem der Kläger sich nicht mit Leistungsanträgen an die Beklagte gewandt hat. Insoweit bestand für diese kein Grund, sich mit der über den Kläger angelegten E-Akte weiter zu befassen. Es ist zudem nicht ersichtlich, dass das unzulässige Speichern der Daten des Klägers nicht lediglich auf einer als fahrlässig zu beurteilenden, versehentlich unterlassenen Bearbeitung auf Seiten der Beklagten beruhte und es daher aus diesem Grund auch keiner weiteren Einwirkung auf die Beklagte bedarf, um sie bei vergleichbaren Fällen künftig zum Einhalten der Vorgaben der DSGVO zu veranlassen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Beklagte, wie in ihrem Schriftsatz vom 18.05.2020 genauer beschrieben (auch dem ist der Kläger nicht entgegengetreten) den Vorgang datenschutzrechtlich umfassend geprüft und die fehlerhafte Speicherung dann umgehend beendet hat.

2. Unabhängig von den fehlenden Voraussetzungen eines Amtshaftungsanspruchs kommt ein Schadensersatzanspruch des Klägers gemäß Art. 82 DSGVO infrage.

Dass die Bestimmungen dieser EU-Verordnung von der Beklagten zu beachten waren, ist zwischen den Parteien nicht im Streit. Ihr sachlicher Anwendungsbereich (Art. 2 DSGVO) ist eröffnet, nachdem die Beklagte personenbezogene Daten des Klägers gespeichert hat. Es liegt auch ein Verstoß gegen die Vorschriften dieser Verordnung vor, weil die Speicherung der Daten gem. Art. 17 Abs.. 1 a) DSGVO unzulässig war.

Im Rahmen der europarechtlich auszulegenden Verordnung - diese verlangt aufgrund des Erwägungsgrundes 146 S. 3 eine weite Auslegung des Schadensbegriffs im Lichte der Rechtsprechung des EuGH, die den Zielen der Datenschutzgrundverordnung in vollem Umfang entspricht, vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.1.2021, 1 BvR 2853/19, NJW 2021, S. 105 Rz.  19 - ist derzeit ungeklärt, ob immaterieller Schadensersatz zu versagen ist, wenn es an einer erheblichen Persönlichkeitsrechtsverletzung fehlt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.1.2021, 1 BvR 2853/19,  NJW 2021, S. 105 Rz. 20; auch Quaas in BeckOK Datenschutzrecht, Wolf/Brink, 42. Edition, Stand 01.08.2022, Art. 82 DSGVO Rz. 33 m.w.Nachw.). Diese Frage ist in einem Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren nicht zulasten der antragstellenden Partei zu beantworten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.02.2008, 1 BvR 1807/07, NJW 2008, S. 1060), sondern im Hauptsacheverfahren einer Klärung zuzuführen.

Deswegen kommt Prozesskostenhilfe für einen Schadensersatzanspruch gemäß Art. 82 DSGVO im vorliegenden Fall grundsätzlich in Betracht.

Allerdings ergibt sich aus dem vorgetragenen Sachverhalt kein Gesichtspunkt, der eine Schmerzensgeldzahlung von über 50,00 € rechtfertigen könnte. Dies auch dann, wenn man zugunsten des Klägers eine weite, europarechtliche Auslegung des Schadensbegriffes zugrunde legt, die neben einem individuellen Ausgleich wegen der Schutzgutverletzung, eine den Verstoß feststellende Genugtuungsfunktion und letztendlich auch eine generalpräventive Einwirkung auf den Schädiger in die Betrachtung einbezieht, vgl. insoweit auch OLG Koblenz, Urteil vom 18. Mai 2022, 5 U 2141/21, juris Rz. 80. Zu bewerten sind in der Sache insoweit dieselben Gesichtspunkte, die im Rahmen der Amtshaftung die Bewertung rechtfertigen, dass eine dort zu berücksichtigende Bagatellgrenze nicht überschritten worden ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.