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Verstoß: Offenlegung privater Daten eines Arbeitnehmers

  • Beschreibung
    Der Kläger war Arbeitnehmer bei der Beklagten. Er hatte ein betriebliches Smartphone mit Erlaubnis zur privaten Nutzung bekommen. Die darin erhaltenen privaten Daten las die Beklagte aus und versuchte sie, im Kündigungsschutzprozess gegen den Arbeitnehmer zu nutzen.
  • Aktenzeichen
    LAG Baden-Württemberg Urt. v. 27.1.2023 - 12 Sa 56/21
  • Kategorie(n)
    Arbeitnehmer
  • Betrag
    3000 €

Tenor

I. Auf die Berufungen des Klägers und der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim – Kammern Heidelberg – vom 20. Mai 2021 (14 Ca 135/20) teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten im Schreiben vom 2. Juli 2020 nicht außerordentlich fristlos aufgelöst worden ist.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten im Schreiben vom 2. Juli 2020 zum 30. September 2020 nicht aufgelöst worden ist.

3. Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.

4. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten im Schreiben vom 10. November 2020 nicht aufgelöst worden ist.

5. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten im Schreiben vom 10. November 2020 nicht zum 31. Januar 2021 aufgelöst worden ist.

6. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständiges Arbeitsentgelt für den Monat Juli 2020 in Höhe von 7.500,00 EUR brutto abzüglich erhaltenem Arbeitslosengeld in Höhe von 2.105,40 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2020 zu bezahlen.

7. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständiges Arbeitsentgelt für den Monat August 2020 in Höhe von 7.500,00 EUR brutto abzüglich erhaltenem Arbeitslosengeld in Höhe von 2.178,00 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2020 zu bezahlen.

8. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständiges Arbeitsentgelt für den Monat September 2020 in Höhe von 7.500,00 EUR brutto abzüglich erhaltenem Arbeitslosengeld in Höhe von 2.178,00 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2020 zu bezahlen.

9. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständiges Arbeitsentgelt für den Monat Oktober 2020 in Höhe von 7.500,00 EUR brutto abzüglich erhaltenem Arbeitslosengeld in Höhe von 2.178,00 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. November 2020 zu bezahlen.

10. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständiges Arbeitsentgelt für den Monat November 2020 in Höhe von 7.500,00 EUR brutto abzüglich erhaltenem Arbeitslosengeld in Höhe von 2.178,00 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2020 zu bezahlen.

11. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständiges Arbeitsentgelt für den Monat Dezember 2020 in Höhe von 7.500,00 EUR brutto abzüglich erhaltenem Arbeitslosen-geld in Höhe von 2.178,00 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2021 zu bezahlen.

12. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständiges Arbeitsentgelt für den Monat Januar 2021 in Höhe von 7.916,66 EUR brutto abzüglich erhaltenem Arbeitslosengeld in Höhe von 2.215,50 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Februar 2021 zu bezahlen.

13. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständiges Arbeitsentgelt für den Monat Februar 2021 in Höhe von 7.916,66 EUR brutto abzüglich erhaltenem Arbeitslosengeld in Höhe von 2.215,50 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. März 2021 zu bezahlen.

14. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständiges Arbeitsentgelt für den Monat März 2021 in Höhe von 7.916,66 EUR brutto abzüglich erhaltenem Arbeitslosengeld in Höhe von 2.215,50 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2021 zu bezahlen.

15. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.000,00 EUR netto Schadensersatz zu bezahlen.

16. Es wird festgestellt, dass der Weiterbeschäftigungsantrag (Klagantrag Ziff. 4) erledigt ist.

17. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

18. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 26 % und die Beklagte zu 74 %

II. Die weitergehenden Berufungen des Klägers und der Beklagten werden zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger 26 % und die Beklagte 74 %.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über zwei außerordentliche, hilfsweise ordentliche verhaltensbedingte Kündigungen, eine betriebsbedingte Kündigung, hilfsweise die Auflösung des Arbeitsverhältnisses, datenschutzrechtliche Entschädigungsansprüche sowie Annahmeverzugslohn.

Der Kläger wurde am 0.0.0000 geboren. Er ist …. Die Beklagte, eine Ausgründung des D., entwickelt und vertreibt Softwarelösungen für eine standardisierte und computergestützte Auswertung von … Daten. Bis zum 9. März 2021 waren Gesellschafter der Beklagten deren Geschäftsführer Herr B1 und die … GmbH. Geschäftsführender Gesellschafter der … GmbH war Herr K1. Seit 10. März 2021 ist die … AG alleinige Gesellschafterin der Beklagten. Der von der … AG bezahlte Kaufpreis lag bei mindestens 21,4 Mio. EUR mit einigen Optionen für eine weitere Erhöhung.

Die Beklagte beschäftigte in ihrem Betrieb in H. im Juli 2020 ca. 30 bis 35 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestand seit dem 1. Januar 2015. Es endete spätestens mit Ablauf des 30. September 2021. Zu diesem Termin hatte der Kläger das Arbeitsverhältnis selbst gekündigt. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthielt u.a. folgende Bestimmungen:

„§ 4 – Vergütung

(1) Der Arbeitnehmer erhält ein jährliches Bruttoentgelt von EUR 55.000,- das in Form von 12 Gehältern jeweils zum Monatsende auszuzahlen ist. Über die Höhe des Monatsentgelts ist strengstes Stillschweigen zu bewahren. Das jährliche Bruttogehalt wird nach Ablauf von einem Jahr Betriebszugehörigkeit um jeweils mindestens EUR 5.000,- erhöht.

  • 9 – Verschwiegenheitspflicht/Datengeheimnis

(1) Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, während der Dauer dieses Vertrages und danach, über alle ihm während seiner Tätigkeit bekannt werdenden Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse und über alle geschäftlichen Angelegenheiten – dazu gehören auch diejenigen der Geschäftspartner des Arbeitgebers – unbedingt Verschwiegenheit zu bewahren. Alle Daten, Akten, Urkunden, Korrespondenz, Verzeichnisse und sonstigen Geschäftsunterlagen sind – unabhängig von der Speicherform – vor jedem unbefugten Einblick sowie Zugriff zu schützen und dürfen nur mit Einverständnis des Arbeitgebers aus den Firmenräumen entfernt werden.“

Im Jahr 2020 betrug das Jahresgehalt des Klägers bei der Beklagten 90.000,00 Euro brutto, mithin 7.500,00 EUR brutto pro Monat.

Vor dem 1. Januar 2015 war der Kläger für das Beratungsunternehmen H. (im Folgenden: H.) tätig.

Die Beklagte stattet zumindest einen Teil ihrer Beschäftigten mit einem Smartphone für den dienstlichen Gebrauch aus. Der Kläger wollte keine zwei Smartphones, sondern nur eins sowohl dienstlich als auch privat nutzen. Damit war die Beklagte einverstanden. Sie übernahm wegen der dienstlichen Mitnutzung die Kosten des auf den Kläger laufenden Handyvertrags. Der Kläger brachte seine SIM-Karte und die von ihm für seine private Kommunikation genutzte Mobilfunknummer ein. Im Dezember 2016 kaufte sich der Kläger ein neues iPhone unter Weiterverwendung der bisherigen SIM-Karte und Mobilfunknummer. Auf dem Smartphone war der Messenger-Dienst WhatsApp installiert. Diesen nutzte der Kläger sowohl für private Nachrichten an Freunde, Bekannte und Verwandte als auch für dienstliche Nachrichten an Kollegen und Vorgesetzte. Über das Smartphone wickelte der Kläger auch seinen dienstlichen E-Mail-Verkehr ab. Der Kläger nutzte die geschäftliche E-Mailadresse (E-Mail-Adresse des Klägers bei der Beklagten) auch für private Kommunikation.

Die Parteien schlossen vor Beginn des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember 2014 einen atypischen stillen Gesellschaftsvertrag ab. Der Kläger leistete eine Bareinlage in Höhe von 30.000,00 EUR, die als Beteiligung von 1 % am laufenden Ergebnis und am Vermögen der Beklagten bewertet wurde. Diese Beteiligung wuchs gemäß einer Vertragsklausel bis zum Beginn des Jahres 2020 auf 3,5 % an. Der Vertrag sah in § 13 Abs. 1 ein Kündigungsrecht unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten zum Anfang eines Geschäftsjahres vor. Zudem vereinbarten die Parteien in § 13 Abs. 2 ein außerordentliches Kündigungsrecht u.a. für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Bei Beendigung des atypischen stillen Gesellschaftsvertrags steht dem Kläger danach eine Abfindung in Höhe des Verkehrswerts seiner Beteiligung am Vermögen der Beklagten zum Beendigungszeitpunkt des Vertrags zu (§ 14 Abs. 2, 3). Dieses mindert sich gemäß einer sogenannten „Bad-Leaver-Klausel“ um 25 %, wenn ihm im Rahmen des Arbeitsverhältnisses ein schwerwiegender Pflichtverstoß vorgeworfen werden kann (§ 14 Abs. 1).

Der Kläger kündigte den Gesellschaftsvertrag mit Schreiben vom 25. Juni 2020 ordentlich zum 1. Januar 2021. Die Beklagte kündigte den Vertrag auf der Grundlage eines Gesellschafterbeschlusses vom 30. Juni 2020 mit Schreiben vom 2. Juli 2020 fristlos. Der Kläger hat beim Landgericht Heidelberg zur Durchsetzung des Abfindungsanspruchs eine Auskunftsklage erhoben (0 O 0/20). Das dortige Verfahren ist bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Kündigungsschutzanträge des Klägers ausgesetzt.

Der Kläger wurde von der Beklagten als Director Business Development eingestellt. Seit Mai 2019 fungierte er als Chief Sales Officer (Vertriebsleiter). Ihm waren bis Juni 2020 drei Beschäftigte fachlich zugeordnet. Der Kläger berichtete dem Geschäftsführer.

Während des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten hielt der Kläger laufend Kontakt zu seinem Vorarbeitgeber H., insbesondere zu dem dortigen Partner G.. H. berät u.a. auf dem Gebiet der …technik und betreut als Kunden u.a. U., die S2 GmbH und die S4 GmbH. G. ist für die …technik bei H. zuständig.

Der Kläger machte den Geschäftsführer der Beklagten Anfang 2016 mit G. bekannt. Dieser konnte den Geschäftsführer für ein sog. Experteninterview gewinnen. Experteninterviews dienen dem Beratungsunternehmen dazu, beratungsrelevante Sachverhalte ohne größeren Rechercheaufwand durch Befragung von Experten in Erfahrung zu bringen.

Im Februar 2016 stellte der Kläger Mitarbeitern von H. das Unternehmen der Beklagten per Videokonferenz vor (siehe den E-Mail-Verkehr, ABl. 113 ff. der erstinstanzlichen Akte). Dazu nutzte er den Webex-Account des Geschäftsführers. Die Präsentation des Klägers erfolgte anhand von Folien, die die Beklagte zuvor für eine Präsentation bei einem potentiellen Kooperationspartner verwendet hatte. Der Kläger nutzte die Folie einige Wochen später auch bei einem …kongress, der in W. stattfand.

Am 19. April 2017 sandte der Kläger Herrn S3 zwei wissenschaftliche Artikel aus dem Jahr 2014 zu, an denen die Beklagte mitgewirkt hatte (E-Mail, ABl. 115 der erstinstanzlichen Akte). Herr S3 hatte 2015 die S. GmbH gegründet, die im CRM-System der Beklagten als Wettbewerber der Beklagten hinterlegt ist.

  1. mailte dem Kläger am 12. Mai 2018 unter dem Betreff „Wettbewerber“:

„Habe gerade eine Anfrage auf dem Tisch, wo ich gerne deine Einschätzung hätte. Allerdings kann es sein das du mit dem Produkt im Wettbewerb stehst. Es geht um eine Software, die die Kommunikation innerhalb des …boards verbessern soll.“

Der Kläger antwortete, ihm fielen dazu zwei potentielle Kooperationspartner ein, die keine direkten Wettbewerber seien: … von U. und C.. Zur Erörterung der Thematik trafen sich die beiden zu einem Abendessen. Noch am selben Abend mailte der Kläger G. weitere Informationen zu und schlug als „Game-Changer-Move“ eine Kooperation mit der Beklagten vor, wobei er deren Vorteile auflistete (E-Mail-Verkehr, ABl. 116 ff. der erstinstanzlichen Akte).

Am 7. November 2018 suchte Herr B2, Generalmanager der Y. (im Folgenden: Y.) GmbH zusammen mit Herrn Z. vom Beratungsunternehmen X. die Beklagte auf, um diese kennenzulernen. Er war beauftragt worden, eine Strategie zur Stärkung der Position von Y. auf dem europäischen Markt zu entwickeln, und befand sich auf der Suche nach geeigneten Kooperationspartnern. Y. stellt … Hardware, u.a. …, her. Sowohl der Geschäftsführer der Beklagten als auch der Kläger beteiligten sich an der Präsentation der Beklagten. Bei einem Folgegespräch bot der Kläger Herrn B2 an, ihn zur Unterstützung mit Herrn G. von H. bekanntzumachen und H. vorab über den Inhalt der geführten Gespräche zu informieren. Herr B2 war damit einverstanden. Zur Vorbereitung des Kontakts zwischen Herrn G. und Herrn B2 informierte der Kläger Herrn G. mit E-Mail vom 4. Dezember 2018 mit „ersten Gedanken“ über die Situation und Pläne von Y. (ABl. 62 der erstinstanzlichen Akte). Mit E-Mail vom 18. Dezember 2018 verband er Herrn B2 mit Herrn G.. Dieser bot Herrn B2 am 15. Januar 2019 eine strategische Beratung an. Im Frühjahr fand ein Treffen statt, zu dem Herr G. einen Foliensatz erstellt hatte (E-Mail-Verkehr ABl. 58 ff. der erstinstanzlichen Akte).

Der Kläger erhielt am 4. Februar 2019 eine Anfrage von H. zu einem 30-minütigen Expertengespräch. Es ging um die Entscheidungsstruktur und IT-Lösungen im …. Er ließ sich die Fragen zu dem Gespräch vorab zusenden und antwortete mit E-Mail vom 11. Februar 2019, in der er u.a. über eine „neue“ zusätzliche Lösung der Beklagten für die … informierte (im Einzelnen: E-Mail-Verkehr, ABl. 82 ff. der erstinstanzlichen Akte).

Eine weitere Anfrage von H. zu einem Expertengespräch erfolgte am 11. Juni 2019 (ABl. 78 der erstinstanzlichen Akte). Es ging um folgende Fragen:

- Was sind vorherrschende Business und Pricing Modelle für … Workflow Solutions, wie z.B. U…board?

- In welchen Abteilungen werden Software Lösungen zur Verbesserung des Workflows und/oder … Entscheidungen bereits genutzt? Welche Abteilungen werden folgen?

- Sind … Decision Support Produkte zumeist Standalone-Lösungen oder Teil einer größeren Plattform?

Das Interview mit dem Kläger fand statt. Der Kläger erhielt von H. ein Honorar in Höhe von 100,00 EUR.

Am 25. Juni 2019 versandte der Kläger per E-Mail die Anmeldeunterlagen (Bewerbungsfolien und Video), die er für die Beklagte zur Teilnahme an einem öffentlichen U.-Wettbewerb für Start-Up-Unternehmen erstellt hatte und die mit dem Geschäftsführer abgestimmt waren, an Herrn G. und Herrn K2, einen ehemaligen Mitarbeiter von H., der für U. arbeitete. Herr K2 war nicht für den Wettbewerb zuständig (zu den Unterlagen im Einzelnen s. ABl. 65 ff. der erstinstanzlichen Akte). Der Wettbewerb war noch nicht abgeschlossen. Die Bewerbungsfrist endete am 15. Juli 2019. Nach den Wettbewerbsbedingungen hatten sich die Unternehmen, die eine Jury für den Preis nominierte, einer interessierten Öffentlichkeit zu präsentieren. Die Beklagte wurde nicht nominiert.

Im September 2019 übersandte der Kläger per E-Mail Herrn G. und Herrn K2 „im Rahmen unseres …-Austauschs“ das Recording eines Webinars zum Management … Studien in der …. Im März 2020 übermittelte er Herrn G. ein …-Bild der Beklagten nebst Erläuterungen, damit Herr G. verstehen könne, wie ein … ein …-Bild befunde (ABl. 89 f. der erstinstanzlichen Akte). Bei den wöchentlichen …-Meetings des Vertriebs waren die Kontakte des Klägers zu H. kein Thema. Sie wurden vom Kläger auch nicht dokumentiert.

Der Kläger war mit der Entwicklung seines Entgelts nicht zufrieden. Deshalb initiierte er, dass im November 2019 eine Besprechung mit dem Geschäftsführer der Beklagten und Herrn K1 zu diesem Thema stattfand. Er präsentierte zwei alternative Vorschläge, wie er sich seine weitere Einkommensentwicklung bei der Beklagten vorstellte. Die Reaktion der Gesprächspartner entsprach nicht seinen Erwartungen. Sie sagten ihm eine Stellungnahme zu. Mit E-Mail vom 24. November 2019 warb der Kläger noch einmal für seine Position. Die E-Mail endete mit der Versicherung, er glaube zu 100 % an den Erfolg der Beklagten und denke, er zeige trotz der derzeitigen Situation und Unstimmigkeit, wie sehr er für den Erfolg brenne.

Am 9. Januar 2020 teilten der Geschäftsführer und Herr K1 dem Kläger mit, dass sie nicht bereit seien, auf seine Gehaltsvorstellungen einzugehen. Die Parteien sprachen über eine Trennung. Am 7. Februar 2020 mailte der Kläger dem Geschäftsführer unter dem Betreff „Nächste Schritte“ u.a. Folgendes:

„… wie Anfang Januar im gemeinsamen Gespräch besprochen, komme ich nach der Bedenkzeit wieder auf Dich zu. Gerne können wir uns in den kommenden Tagen zusammensetzen, um einen für beide Seiten konstruktiven Trennungsprozess zu besprechen.“

Am 11. März 2020 fand ein Mitarbeitergespräch des Geschäftsführers mit dem Kläger statt. Als Protokollant nahm Herr K3, Chief Technology Officer der Beklagten, am Gespräch teil. Neben Detailkritik an der Arbeit des Klägers wurde die Beendigung des Arbeitsverhältnisses thematisiert. Der Kläger teilte mit, er werde das Unternehmen verlassen, wenn die Beklagte seine 3,5 %-ige Beteiligung zu einem vereinbarten Preis kaufe. Der Geschäftsführer erwiderte, er habe einen konkreten Kündigungstermin erwartet, bis zu dem er den Kläger ggf. freistellen könne. Im weiteren Verlauf des Gesprächs sprach der Kläger davon, das Vertrauensband sei zerschnitten, seit der Geschäftsführer ihm Anfang Januar gesagt habe, dass er die Beklagte verlassen solle. Er (der Kläger) werde nichtsdestotrotz seine Pflicht erfüllen. Zum Abschluss des Gesprächs verlangte der Geschäftsführer vom Kläger zukünftig einen wöchentlichen Bericht per E-Mail. Herr K3 fertigte ein siebenseitiges Protokoll des Mitarbeitergesprächs an (ABl. 279 ff. der erstinstanzlichen Akte). Das Protokoll veranlasste den Kläger ein eigenes sechsseitiges Protokoll zu erstellen (ABl. 202 ff. der erstinstanzlichen Akte).

Mit E-Mail vom 29. Mai 2020 forderte der Geschäftsführer den Kläger auf, sich nicht um Themen aus dem Bereich Finanzen zu kümmern. Er schrieb u.a.

„H3 bearbeitet mit O. das Thema Finanzen. Bitte beachte dazu meine bisherigen Mails…Eine Notwendigkeit dafür, dass Du Dich mit dem Modell über den Umsatz Forecast hinaus auseinandersetzt, sehe ich inhaltlich und aus Ressourcegründen nicht. …“

Der Kläger antwortete mit E-Mail vom 2. Juni 2020, in deren Cc er die Mitarbeiter H3 und O. setzte:

„Deine bisherige Kommunikation hat leider nicht zu einem einheitlichen Verständnis zum Thema Finanzen und Verantwortlichkeiten geführt. Und auch wenn Du mir die Finance-bezogenen Aufgaben abnimmst, sollten wir in dieser Runde gerne auch die Transparenz teilen, welche Informations- und Kontrollrechte mir als atypisch stiller Gesellschafter vom … [die Beklagte] zustehen. Alleine aus dieser Perspektive erwarte ich selbstverständlich Zugriff auf das Excel-Modell und eine Vorstellung von H3. …“

Am 18. Juni 2020 fand eine Videokonferenz statt, an der neben dem Geschäftsführer und dem Kläger Frau F. von der …-Tochtergesellschaft der Beklagten und der Mitarbeiter der Beklagten Herr J. teilnahmen. Gegenstand der Konferenz war der Vertrieb in den … . Der Geschäftsführer gab bekannt, dass die Verantwortung für den …-Vertrieb vom Kläger auf die …-Tochtergesellschaft übergehe. Die Aufgabe werde Frau F. übertragen. Ihr werde hierfür Herr J. fachlich zugeordnet. Der Kläger kritisierte, dass die fachliche Zuordnung Herrn J. nicht mit ihm abgesprochen worden sei. Er bezeichnete die Vorgehensweise des Geschäftsführers als „unprofessional leadership“ und „bad code of conduct.“ In einer nachfolgenden E-Mail forderte der Kläger vom Geschäftsführer eine schriftliche Dokumentation der mitgeteilten Entscheidungen. Die E-Mail versandte der Kläger auch an Frau F. und Herrn J..

Wenig später am 29. Juni 2020 fand auf Initiative des Klägers ein Update-Gespräch mit dem Geschäftsführer statt. Der Kläger fragte nach dem aktuellen Stand der Zusammenarbeit mit der … AG. An den laufenden Gesprächen war er nicht beteiligt. Der Geschäftsführer teilte mit, es gebe ein hohes Interesse der … AG an einer Zusammenarbeit. Es bestünden einige interessante Aspekte einer möglichen Zusammenarbeit. Der Kläger bot seine Unterstützung an. Der Geschäftsführer erwiderte, er komme bei Bedarf gerne darauf zurück.

Für den 2. Juli 2020 hatten der Kläger und der Geschäftsführer einen weiteren Gesprächstermin vereinbart, in dem das Einsichtsrechts des Klägers als atypisch stiller Gesellschafter besprochen werden und ihm Einsicht in Geschäftsunterlagen eingeräumt werden sollte. An dem Gespräch nahm - für den Kläger unerwartet - auch der spätere Prozessbevollmächtigte der Beklagten teil. Der Prozessbevollmächtigte richtete zu den E-Mail-Verkehren, Anlagen B 7 bis B 17 mehrere Fragen an den Kläger, u.a.:

- Welche betrieblichen Daten haben Sie an H weitergeleitet?

- Welche Präsentationen haben Sie an H oder an Dritte weitergeleitet?

- Welchen Inhalt hatte das Interview mit H?

Der Kläger beantwortete die Fragen nicht. Ihm wurden eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses und eine außerordentliche Kündigung des Gesellschaftsvertrags übergeben. Zugleich wurde er aufgefordert, Smartphone und Laptop herauszugeben und seinen Dienstwagen auszuräumen. Der Kläger bat entweder um eine Unterbrechung der Besprechung, u.a. um private Daten auf dem iPhone löschen zu können, und verließ den Besprechungsraum (so die Beklagte), oder er setzte das iPhone in Gegenwart des Geschäftsführers und des Prozessbevollmächtigten zurück (so der Kläger). Der Kläger übergab das iPhone ohne SIM-Karte den Vertretern der Beklagten.

Die Kündigungsschutzklage ging am 6. Juli 2020 beim Arbeitsgericht ein und wurde der Beklagten am 10. Juli zugestellt. Der Kläger bezog ab dem 3. Juli 2020 Arbeitslosengeld in der in seinen Anträgen angegebenen Höhe. Die Agentur für Arbeit konnte dem Kläger nach der Aussage des zuständigen Sachbearbeiters keinen adäquaten Vermittlungsvorschlag unterbreiten (siehe die E-Mail der Bundesagentur, ABl. 220 der erstinstanzlichen Akte).

Mit Schreiben vom 10. November 2020 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien vorsorglich erneut außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 31. Januar 2021 wegen versuchten Prozessbetrugs. Der Kläger erweiterte die Klage mit Schriftsatz vom 11. November 2020 mit zwei gegen die Kündigungen gerichteten Kündigungsschutzanträgen. Der Schriftsatz wurde dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 16. November 2020 zugestellt.

Nach Herausgabe des vom Kläger genutzten iPhones verfügte die Beklagte über sämtliche Kontakte, die der Kläger dort angelegt hatte, eine „Wallet“-App mit allen Flug- und Bahntickets, annähernd 100 Notizen des Klägers, die in einer Notizen-App abgelegt waren, unzählige SMS-Nachrichten, fast 9.000 Fotos und mehr als 100 Videos. Die Beklagte wertete zumindest einen Teil der gespeicherten WhatsApp-Nachrichten aus und trug eine Vielzahl dieser Nachrichten im laufenden Verfahren, zuletzt mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2021 vor, um die Kündigung vom 2. Juli 2020 zu begründen. Darunter befanden sich WhatsApp-Nachrichten des Klägers an seinen Bruder und an zahlreiche Freunde.

Die Parteien führten sowohl im hiesigen Verfahren wie auch im Verfahren vor dem Landgericht Heidelberg Vergleichsgespräche. Das Abfindungsangebot der Beklagten in Höhe von 226.835,00 EUR, das von einem Unternehmenswert in Höhe von 6.481 Mio. Euro ausging, lehnte der Kläger ab. Dieser Unternehmenswert basierte auf einem von der Beklagten in Auftrag gegebenem Gutachten der F., einer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft. In einem Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers, Herrn Rechtsanwalt G2, im Verfahren vor dem Landgericht Heidelberg an den dortigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten, Herrn Rechtsanwalt N., heißt es betreffend des Gutachtens der F.:

„Offensichtlich wurden falsche, unzutreffende und fragmentarische Angaben durch die Geschäftsleitung zum Zwecke der Erstellung des Gefälligkeitsgutachtens getätigt. Dies wird Weiterungen haben.“

Mit Schriftsatz vom 5. März 2021 führte Herr Rechtsanwalt G2 im Verfahren vor dem Landgericht Heidelberg aus:

„Mit Schreiben vom 31. Dezember 2020 wurde ein Gefälligkeitsgutachten der F., unterzeichnet durch den Duz-Freund von Herrn K1, vom 23. Dezember 2020 (nachfolgend: Gutachten) zur Ermittlung des Unternehmenswertes der Beklagten unter Einbeziehung der Tochtergesellschaft … inc. übermittelt. Ausweislich des entsprechenden „Gutachtens“ soll sich der Unternehmenswert auf 6.481.000,00 EUR belaufen. Bei dem Beteiligungswert des Klägers in Höhe von 3,5 % ergebe sich so, so das „Gutachten“ ein Abfindungswert zum Stichtag in Höhe von 226.185,00 EUR. Das Gutachten ist das Papier nicht wert, auf dem es verfasst wurde.

Zuletzt ist das Gutachten für nichts anderes als den Papierkorb bestimmt, denn das Gutachten bewertet die Beklagte auf den 02.07.2020 …“.

Bereits zuvor, mit Schriftsatz vom 12. November 2020, hatte der Kläger im Verfahren vor dem Landgericht vortragen lassen:

„Nachdem der Kläger am 08.06.2020 Informationen begehrte und am 25.06.2020 die atypische stille Gesellschaft kündigte, brach Hektik bei der Beklagten aus. Die Einsichtnahme ließ sich nicht vermeiden, die Kündigung führte durch die rasante Unternehmensentwicklung 2020 zu hohen Abfindungsansprüchen. Fristlose Kündigungsgründe mussten her. Nur so sah die Beklagte die Chance, den Kläger blind zu halten und darüber hinaus auch die Abfindungsforderung, wie die Beklagte zitiert, um 25 % zu mindern. Ohne jedwede Anhaltspunkte wurde ein fremder Dritter in Person von Herrn K1 nach dem Vortrag der Klägerin eingeschaltet, der auf die personenbezogenen Daten des Klägers Zugriff nahm und diese flächendeckend screente, um Kündigungsgründe zu finden und/oder zu generieren.“

Der Kläger hat vorgetragen, am 9. Januar 2020 habe ihm der Geschäftsführer mitgeteilt, die Beklagte gehe auf seine Entgeltforderungen nicht ein. Er wolle, dass er (der Kläger) die Beklagte verlasse. Als Gesellschafter der Beklagten sei er aber bis zuletzt an einer erfolgreichen Zusammenarbeit interessiert gewesen. Er habe keinen Abkehrwillen gehabt. Er habe dem Geschäftsführer und dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 2. Juli 2020 gesagt, er werde ohne seinen Rechtsanwalt keine Fragen beantworten. Über etwaige Folgen der Nichtbeantwortung oder die Möglichkeit einer Verdachtskündigung sei er nicht informiert worden.

Die Beklagte habe keinen wichtigen Grund, das gemeinsame Arbeitsverhältnis außerordentlich zu kündigen. Er habe keine Betriebsgeheimnisse, sondern Informationen weitergegeben, die größtenteils im Internet verfügbar seien. Als Vertriebsleiter sei er berechtigt und verpflichtet, Produkte und das Geschäftsmodell der Beklagte zu kommunizieren und zu bewerben. Er habe ein Netzwerk aufgebaut und gepflegt. So funktioniere Vertrieb.

H sei für die Beklagte als indirekter Vertragspartner, sozusagen als Türöffner, von Interesse gewesen. Das Unternehmen berate keinen Wettbewerber der Beklagten. Die Tätigkeitsfelder der S4 GmbH hätten mit denen der Beklagten keine Berührungspunkte. Mit C. kooperiere die Beklagte sogar.

Bei der Präsentation der Beklagten gegenüber Mitarbeitern von H habe er die Standardfolien genutzt, die die Beklagte für öffentliche Präsentationen zur Verfügung gestellt habe. Er habe in der Verbindung von B2 und G. eine Win-Win-Win-Konstellation gesehen, die er auch offen gegenüber Herrn B2 angesprochen habe. Wenn er über Herrn G. Herrn B2 dabei unterstützen könne, die … Strategie zu entwickeln und wenn in der Strategie die Software der Beklagten als elementarer Bestandteil festgelegt werde, würden alle Beteiligten davon profitieren.

Der Foliensatz, der Bestandteil der Unterlagen für den U.-Wettbewerb gewesen sei, habe keine Betriebsgeheimnisse oder sonstige interne schützenswerte Informationen enthalten. Mit U. sei keine Vertraulichkeitsvereinbarung geschlossen worden. Er habe den Foliensatz bei H platziert, um über den ehemaligen Kollegen K2, der zwischenzeitlich bei U. sei, eine gute Ausgangsposition für den Wettbewerb zu schaffen. Blatt 2 des Foliensatzes enthalte lediglich einen Überblick, wo und bei welchem Kundentyp die Software der Beklagten eingesetzt werden könne. Blatt 4 gebe einen groben Überblick über die verschiedenen Dimensionen der Software. Die Beklagte mache Referenzkunden über unterschiedliche Kanäle an unterschiedlichen Stellen bekannt.

Die von der Beklagten vorgetragenen WhatsApp-Nachrichten könnten nicht zur Begründung der Kündigung vom 2. Juli 2020 herangezogen werden. Es bestehe ein Sachvortragsverwertungsverbot, weil die Beklagte mit der Auswertung seines iPhones datenschutzrechtliche Bestimmungen verletzt und sein allgemeines Persönlichkeitsrecht missachtet habe. Der schwerwiegende Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht würde durch eine prozessuale Verwertung der Auswertungsergebnisse fortwirken.

Das iPhone gehöre ihm. Er habe es dem Geschäftsführer am 2. Juli 2020 deshalb ausgehändigt, weil die Beklagte den Vertrag finanziert habe. Vor der Übergabe des iPhones habe er dieses auf „Werkseinstellung“ zurückgesetzt und dabei die Option „Alle Inhalte & Einstellungen löschen“ gewählt. Dadurch werde das iPhone ohne jeglichen verfügbaren Inhalt auf Werkseinstellung zurückgeführt. Die Beklagte müsse den Inhalt wiederhergestellt haben.

Er bestreite inhaltlich die auf den S. 3 bis 6 der Klagerwiderung wiedergegebenen angeblichen WhatsApp-Nachrichten. Die Beklagte möge hierzu Screenshots vorlegen, damit Adressat und Datum/Uhrzeit zweifelsfrei identifizierbar seien. Ohne Screenshot sei er nicht in der Lage, die angeblichen Nachrichten zweifelsfrei zu identifizieren und zu verifizieren.

Die Beklagte könne das gemeinsame Arbeitsverhältnis auch nicht betriebsbedingt ordentlich kündigen. Eine unternehmerische Entscheidung der Beklagten, auf der Grundlage eines unternehmerischen Konzepts die Funktion des Vertriebsleiters einzusparen, sei nicht ersichtlich. Die von der Beklagten aufgeführten Aufgaben des Vertriebsleiters seien unvollständig (im Einzelnen s. Schriftsatz vom 9. Dezember 2020, ABl. 524 der erstinstanzlichen Akte). Die Beklagte habe eine Sozialauswahl durchführen müssen. Er sei mit allen Kolleginnen und Kollegen vergleichbar, die dem Geschäftsführer berichteten.

Es gebe weder Auflösungsgründe noch Gründe für die Kündigung der Beklagten vom 10. November 2020. Neben Annahmeverzugslohn schulde die Beklagte auch Schadenersatz nach Art. 82 Abs. 1 DS-GVO, weil sie ohne seine Zustimmung seine private WhatsApp-Kommunikation ausgewertet und im Prozess verwertet habe.

Der Kläger hatte zunächst auch Urlaubsabgeltung im Umfang von 7.442,15 EUR brutto begehrt, diesen Antrag aber in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

Der Kläger hat zuletzt beantragt:

  1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten im Schreiben vom 2. Juli 2020 nicht außerordentlich fristlos aufgelöst ist.
  2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten im Schreiben vom 2. Juli 2020 zum 30. September 2020 nicht aufgelöst ist.
  3. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern über den 30. September 2020 hinaus fortbesteht.
  4. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger als Chief Sales Officer (Leiter Vertrieb) zu unveränderten Arbeitsbedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiter zu beschäftigen.
  5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Schadenersatz in Höhe von 22.500,00 EUR netto seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
  6. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten im Schreiben vom 10. November 2020 nicht aufgelöst worden ist.
  7. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die höchst vorsorgliche ordentliche Kündigung der Beklagten im Schreiben vom 10. November 2020 nicht zum 31. Januar 2021 aufgelöst wird.
  8. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständiges Arbeitsentgelt für den Monat Juli 2020 in Höhe von 7.500,00 EUR brutto abzüglich erhaltenem Arbeitslosengeld in Höhe von 2.105,40 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2020 zu bezahlen.
  9. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständiges Arbeitsentgelt für den Monat August 2020 in Höhe von 7.500,00 EUR brutto abzüglich erhaltenem Arbeitslosengeld in Höhe von 2.178,00 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2020 zu bezahlen.
  10. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständiges Arbeitsentgelt für den Monat September 2020 in Höhe von 7.500,00 EUR brutto abzüglich erhaltenem Arbeitslosengeld in Höhe von 2.178,00 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2020 zu bezahlen.
  11. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständiges Arbeitsentgelt für den Monat Oktober 2020 in Höhe von 7.500,00 EUR brutto abzüglich erhaltenem Arbeitslosengeld in Höhe von 2.178,00 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. November 2020 zu bezahlen.
  12. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständiges Arbeitsentgelt für den Monat November 2020 in Höhe von 7.500,00 EUR brutto abzüglich erhaltenem Arbeitslosengeld in Höhe von 2.178,00 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2020 zu bezahlen.
  13. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständiges Arbeitsentgelt für den Monat Dezember 2020 in Höhe von 7.500,00 EUR brutto abzüglich erhaltenem Arbeitslosengeld in Höhe von 2.178,00 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2021 zu bezahlen.
  14. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständiges Arbeitsentgelt für den Monat Januar 2021 in Höhe von 7.916,66 EUR brutto abzüglich erhaltenem Arbeitslosengeld in Höhe von 2.215,50 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2021 zu bezahlen.
  15. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständiges Arbeitsentgelt für den Monat Februar 2021 in Höhe von 7.916,66 EUR brutto abzüglich erhaltenem Arbeitslosengeld in Höhe von 2.215,50 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2021 zu bezahlen.
  16. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständiges Arbeitsentgelt für den Monat März 2021 in Höhe von 7.916,66 EUR brutto abzüglich erhaltenem Arbeitslosengeld in Höhe von 2.215,50 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2021 zu bezahlen.
  17. Der Auflösungsantrag wird zurückgewiesen.

               

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

               

hilfsweise:

das Arbeitsverhältnis der Parteien wird zum 30. September 2020 aufgelöst. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Abfindung zu bezahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch 20.000,- EUR brutto nicht übersteigen sollte.

Die Beklagte hat vorgetragen, das Arbeitsverhältnis der Parteien habe auf Grund der außerordentlichen Kündigung vom 2. Juli 2020 mit Ablauf dieses Tages geendet. Sie habe aus wichtigem Grund gekündigt, denn die E-Mail-Verkehre des Klägers, Anlagen B 7 bis B 17, zeigten, dass der Kläger kontinuierlich Betriebsinterna, die als Betriebsgeheimnisse einzustufen seien, ohne ihr Einverständnis an Dritte weitergeleitet habe. Die weitergegebenen Informationen seien allenfalls mit erheblichem zeitlichen Abstand von ihr über das Internet veröffentlicht worden. Erschwerend komme hinzu, dass H die Wettbewerber S4 GmbH, S2 GmbH, U. und C. berate. Die S4 GmbH vertreibe …. Die S2 GmbH verkaufe ebenso wie U. mit … und C. …- und …. Die maßgeblichen E-Mail-Verkehre des Klägers seien ihr in den Tagen 26. bis 29. Juni 2020 in die Hände gefallen.

Der Kläger sei nicht dazu autorisiert gewesen, sie (die Beklagte) gegenüber Mitarbeitern der H vorzustellen. Er habe G. den Zugriff auf ein Integrationsvideo eröffnet, das nur für B2 und Z. bestimmt gewesen sei.

Die vom Kläger an Herrn G. und Herrn K2 weitergeleiteten Bewerbungsunterlagen für den U.-Wettbewerb seien speziell für diesen Wettbewerb erstellt worden. Sie hätten detaillierte Hinweise auf das von ihr entwickelte Softwareprodukt und dessen Einsatz im … Bereich enthalten, die vertraulich und in keiner öffentlichen Präsentation enthalten gewesen seien. Darüber hinaus sei ein Auszug einer Referenzliste von Kunden beigefügt gewesen, die ihr Softwareprodukt eingesetzt hätten und deshalb auf … Erfahrung hätten zurückblicken können. Man habe den Bewerbungsunterlagen auch entnehmen können, auf welchen … Feldern über den … Bereich hinaus sie ihre Software habe einsetzen wollen und welche Entwicklungen hierfür erforderlich seien. So habe man auf Blatt 4 der Bewerbungsfolie nachlesen können, welche Technologie- und Produktstrategie, und auf Blatt 8 welche Referenzkunden sie habe. Erhalte der Wettbewerber von Letzterem Kenntnis, könne er seine Aktivitäten auf unentschlossene Kunden konzentrieren.

Im Nachhinein habe sie auf Grund der WhatsApp-Nachrichten des Klägers von weiteren wichtigen Gründen für die außerordentliche Kündigung vom 2. Juli 2020 Kenntnis erlangt. Sie könne die einzelnen Nachrichten im Kündigungsschutzverfahren vortragen. Dieser Vortrag sei zu berücksichtigen.

Nachdem der Kläger am 2. Juli 2020 die Beantwortung der Fragen trotz Belehrung über die Möglichkeit einer Verdachtskündigung erneut verweigert gehabt habe, habe der Geschäftsführer ihm die Kündigungen des Arbeitsverhältnisses und des Gesellschaftsvertrages übergeben. Der Kläger sei aufgefordert worden, u.a. das Smartphone herauszugeben. Die Besprechung sei unterbrochen worden, weil der Kläger mit seinem Anwalt habe sprechen und die auf dem Smartphone gespeicherten Daten habe löschen wollen. Er sei dann zurückgekehrt und habe das iPhone abgegeben.

Der Kläger habe das iPhone zwar auf Werkseinstellung zurückgesetzt, dabei aber nur die persönlichen Einstellungen, nicht die Inhalte gelöscht. Ihr sei es möglich gewesen, das iPhone einzuschalten und von seinen Inhalten ohne Eingabe eines Passworts Kenntnis zu nehmen. Die Auswertung des WhatsApp-Accounts sei aus zwei Gründen zulässig gewesen. Zum einen habe der Kläger mit der Rückgabe des iPhones zu erkennen gegeben, dass sie jetzt über das iPhone frei verfügen könne. Zum anderen habe der WhatsApp-Account des Klägers dienstlichen Zwecken gedient. Es seien entsprechende WhatsApp-Gruppen eingerichtet worden. Sie habe die gespeicherten Daten – datenschutzrechtlich unbedenklich – verwenden können, weil sie diese für eine interessengerechte Durchführung des Kündigungsschutzverfahrens benötigt habe. Die privaten Inhalte des iPhones seien für sie ohne Interesse gewesen und deshalb nicht ausgewertet worden.

Unabhängig von dem geschilderten Verhalten des Klägers sei die vorsorgliche ordentliche Kündigung vom 2. Juli 2020 aus betriebsbedingten Gründen sozial gerechtfertigt und beende im Falle einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung das Arbeitsverhältnis.

Es habe Ende Juni 2020 Handlungsbedarf bestanden, da der Kläger wiederholt seinen Abkehrwillen geäußert habe. Als ihm der Geschäftsführer am 9. Januar 2020 mitgeteilt habe, dass sie (die Beklagte) nicht auf seine Gehaltsvorstellungen eingehe, habe der Kläger geantwortet, dann verlasse er das Unternehmen. Im Mitarbeitergespräch am 11. März 2020 habe er das bestätigt und hinzugefügt, sein weiterer Verbleib im Unternehmen sei für sie in dieser Form natürlich ein Risiko. Sie habe sich deshalb mit der Frage befassen müssen, wie sie zukünftig den Vertrieb organisiere, wenn der Kläger die Funktion des Vertriebsleiters nicht mehr wahrnehme. Die Gesellschafter hätten am 30. Juni 2020 im Rahmen einer Besprechung entschieden, die Funktion des Vertriebsleiters aufzugeben, und zwar spätestens zum 30. September 2020. Die Aufgaben des Klägers seien wie folgt verteilt worden:

- Schon im Juni sei der Vertrieb 3 auf die … Tochtergesellschaft (dort Frau F.) übertragen worden. Diese werde von dem Mitarbeiter Herr J. bei der Beklagten unterstützt.

- Wie bereits vor der Einstellung des Klägers habe der Geschäftsführer die eigentlichen Aufgaben der Vertriebsleitung übernommen. Gleichzeitig sei den Vertriebsmitarbeitern mehr Eigenständigkeit zugebilligt worden.

- Referenzkunden würden von den Mitarbeitern des Vertriebs betreut.

- Die Vertriebspartnerschaft mit S1 sei beendet worden.

- Die Qualifizierung der Vertriebsmitarbeiter sei in die Hände externer Dienstleister, der O1 GmbH und von E2, gegeben worden.

- Der Vertrieb1 werde nun von G3 betreut.

- Den Vertrieb2 verantworte nun R3

Damit seien alle bisherigen Aufgaben des Klägers verteilt. Es sei dadurch keine überobligatorische Inanspruchnahme der Mitarbeiter eingetreten. Alle Mitarbeiter arbeiteten auf der Grundlage einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden und genössen Vertrauensarbeitszeit innerhalb dieses Arbeitszeitvolumens. Sie seien nicht durch Überstunden belastet. Eine Sozialauswahl habe sie nicht durchführen können. Die vom Kläger genannten Mitarbeiter seien von ihrer Funktion und Qualifikation her mit dem Kläger nicht vergleichbar.

Für den Fall, dass sie die Kündigung vom 2. Juli 2020 nicht durchsetzen könne, sei das Arbeitsverhältnis der Parteien durch das Gericht gegen Zahlung einer Abfindung mit Ablauf des 30. September 2020 aufzulösen. Der wiederholte Vorwurf der Erstellung eines „Gefälligkeitsgutachtens“, das durch „falsche, unzutreffende und fragmentarische Angaben“ erwirkt worden, „für nichts anderes als den Papierkorb bestimmt“ und „das Papier nicht wert [sei], auf dem es verfasst wurde“ sei nach Inhalt und Wortwahl vollkommen unangemessen und stehe einer gedeihlichen Zusammenarbeit entgegen. Zudem sei auch der Vortrag im Schriftsatz vom 12. November 2020 unerhört. Herr K1 sei für den Kläger kein fremder Dritter gewesen. Mit dieser Bezeichnung degradiere der Kläger Herrn K1 zu einem Nullum. Der Vorwurf, personenbezogene Daten des Klägers flächendeckend gescreent zu haben, um Kündigungsgründe zu suchen, sei ebenfalls unerhört. Zudem zeige auch der Umstand, dass der Kläger in der E-Mail vom 2. Juni 2020 gesellschaftsrechtliche Themen angesprochen und Mitarbeiter in „Cc“ gesetzt habe, dass er zwischen den Vertragsverhältnissen nicht trenne und das Tischtuch zerschnitten sei. Gleiches gelte für die in der Videokonferenz am 18. Juni 2020 vor Mitarbeitern gegenüber dem Geschäftsführer erhobenen Vorwürfe „unprofessional leadership“ und „bad code of conduct.“ Auch der Inhalt der WhatsApp-Nachrichten und E-Mails stelle einen Auflösungsgrund dar.

Die vorsorgliche Kündigung vom 10. November 2020 sei wegen versuchten Prozessbetrugs des Klägers erfolgt. Der Kläger habe vorsätzlich falsch vorgetragen zu

- seinem Abkehrwillen

- dem Verlauf der Besprechung am 2. Juli 2020

- dem Inhalt der WhatsApp-Nachrichten

- der Weitergabe von internen Informationen an H.

(Im Einzelnen s. Schriftsatz der Beklagten vom 25. November 2020, ABl. 235 ff der erstinstanzlichen Akte.)

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 20. Mai 2021 festgestellt, dass die außerordentliche Kündigung der Beklagten das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst habe, sowie die Beklagte verurteilt, dem Kläger die Vergütung für das dritte Quartal 2020 und wegen der Auswertung der WhatsApp-Kommunikation Schadenersatz in Höhe von 7.500,00 EUR zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei unwirksam, denn es sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten habe. Sie spreche nur allgemein davon, die E-Mail-Verkehre des Klägers seien ihr ab dem 26. Juni 2020 in die Hände gefallen.

Für die vorgetragenen WhatsApp-Nachrichten des Klägers bestehe ein Sachvortragsverwertungsverbot. Die Auswertung des iPhones stelle einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers dar. Es liege eine Mischnutzung des Smartphones vor. Es sei sowohl privat als auch dienstlich genutzt worden. Der Kläger habe eine berechtigte Privatheitserwartung. Dass die Beklagte behaupte, sich nur für die dienstlichen Inhalte interessiert zu haben, sei unerheblich, denn der Kläger habe das nicht kontrollieren können. Die Ermittlung der vorgetragenen WhatsApp-Nachrichten verstoße gegen § 26 BDSG. Die Datenerhebung sei, so wie sie durchgeführt worden sei, unverhältnismäßig gewesen. Der Kläger habe nicht in die Auswertung eingewilligt. Die Beklagte hätte die Auswertung im Beisein des Klägers, ggf. nachdem er sich anwaltlich Rat hätte einholen können, vornehmen können und müssen.

Die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 2. Juli 2020 sei nicht aus betrieblichen Gründen sozial gerechtfertigt. Die Beklagte habe nicht dargelegt, dass der Arbeitsplatz des Klägers dauerhaft entfallen sei. Zum einen sei sie nicht auf die vom Kläger genannten zusätzlichen Aufgaben eingegangen, die auch das Protokoll des Mitarbeitergesprächs vom 11. März 2020 aufführe, das K3 angefertigt habe. Zum anderen bleibe die Beklagte Angaben darüber schuldig, welche Zeitvolumina mit den jeweils verteilten Aufgaben des Klägers verbunden gewesen seien.

Die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien zum 30. September 2020 sei dennoch wirksam, denn der Kläger habe seine vertraglichen Pflichten dadurch verletzt, dass er Informationen über die Beklagte an Dritte weitergegeben habe, ohne ausschließen zu können, dass diese auch zu Gunsten von Wettbewerbern verwendet würden. H sei ein X. Es könne jederzeit auch einen Wettbewerber der Beklagten betreuen. Dass die Beklagte aus der Verbindung von B2 mit G. einen Vorteil hätte erzielen können, sei ebenso wenig ersichtlich wie ein Vorteil der Beklagten auf Grund der Weitergabe ihrer Bewerbungsunterlagen für den U.-Wettbewerb. Eine Abmahnung des Klägers sei vor Ausspruch der Kündigung nicht erforderlich gewesen. Zwar habe der Kläger ohne Schädigungsvorsatz gehandelt. Das durch das Verhalten des Klägers verloren gegangene Vertrauen sei aber nicht wiederherstellbar gewesen. Auch angesichts von Alter und Betriebszugehörigkeit des Klägers überwiege das Interesse der Beklagten an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses das Interesse des Klägers an seiner Fortführung.

Die Beklagte schulde dem Kläger das Entgelt für das dritte Quartal 2020, weil sie sich ihm gegenüber im Annahmeverzug befunden habe. Die Schadensersatzforderung des Klägers sei in Höhe von 7.500,00 EUR begründet. Die Beklagte habe mit der Auswertung des Smartphones datenschutzwidrig in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers eingegriffen. Eine Entschädigung in Höhe eines Bruttomonatsgehalts (7.500,00 EUR) sei angemessen.

Die Kündigungsschutzanträge gegen die Kündigungen vom 10. November 2020 hat das Arbeitsgericht in Ermangelung eines fortbestehenden Arbeitsverhältnisses abgewiesen. Hingegen hat es den Weiterbeschäftigungsantrag sowie die Anträge betreffend Annahmeverzug für die Monate ab Oktober 2020 als Hilfsanträge verstanden, über die aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. September 2020 keine Entscheidung zu treffen sei.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers am 29. Juni 2021 zugestellt. Die Berufung des Klägers ging am 8. Juli 2021, die Berufungsbegründung am 18. August 2021 beim Landesarbeitsgericht ein. Die Berufungsbegründung wurde dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 19. August 2021 zugestellt. Die Berufungserwiderung der Beklagten erreichte am 17. September 2021 das Landesarbeitsgericht.

Dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten wurde das Urteil des Arbeitsgerichts am 30. Juni 2021 zugestellt. Die Berufung ging am 9. Juli 2021, die Berufungsbegründung am 19. August 2021 beim Landesarbeitsgericht ein. Die Berufungsbegründung wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 23. August 2021 zugestellt. Die Berufungserwiderung des Klägers ging innerhalb der verlängerten Berufungserwiderungsfrist am 24. September 2021 beim Landesarbeitsgericht ein.

Der Kläger trägt vor, die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 2. Juli 2020 sei nicht als verhaltensbedingte Kündigung wirksam. Die Beklagte habe auch die E-Mails nicht auswerten dürfen. Es bestehe – genauso wie bezüglich der WhatsApp-Kommunikation – ein Sachvortragsverwertungsverbot. Die Auswertung der E-Mails durch Herrn K1 sei völlig anlasslos und unter Umgehung eines Passwortschutzes erfolgt. Die Nutzung der dienstlichen E-Mail-Adresse für private Zwecke sei von der Beklagten für alle Mitarbeiter zugelassen. Es sei keinerlei Grund erkennbar, warum Herr K1 den E-Mail-Verkehr für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses ausgewertet habe. Herr K1 habe sich mit dem dienstlichen E-Mail-Account jedenfalls nicht deshalb befasst, um sich einen Überblick über seine (des Klägers) Aufgaben zu verschaffen. Diese seien in einer Übersicht der Beklagten vom 8. Februar 2019 über die Aufgaben und Verantwortlichkeiten der Mitarbeiter (Anlage B 6 zum Schriftsatz der Beklagten vom 29. September 2020, ABl. 105 ff. der erstinstanzlichen Akte) vollumfänglich dokumentiert gewesen.

Er habe seine Vertragspflichten gegenüber der Beklagten darüber hinaus nicht verletzt. Sowohl das Zusammenbringen von B2 und G. als auch die Weiterleitung der Bewerbungsunterlagen für den U.-Wettbewerb hätten nur dem Aufbau von Netzwerken und der Produktpositionierung gedient. Nachteile seien der Beklagten daraus nicht erwachsen. Der Bewerbungsfoliensatz für den U.-Wettbewerb, den die Beklagte als vertraulich einstufe, hätte im Falle ihrer Nominierung ohnehin öffentlich präsentiert werden müssen. Der Austausch mit G. und K 2 habe einem allgemeinen …-Austausch gedient, den er dazu benutzt habe, die Beklagte bei U. zu platzieren.

Gehe man von einer Pflichtverletzung aus, wäre eine Abmahnung geeignet gewesen, die eingetretene Vertragsstörung zu beseitigen. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass er auf eine Abmahnung nicht reagiert hätte. Bereits aus seiner Stellung als Gesellschafter folge, dass er nur zum Vorteil der Beklagten habe handeln wollen. Zudem habe er als CSO im Rahmen der von ihm so verstandenen und interpretierten Vertriebsfunktion gehandelt. Wenn die Beklagte der Meinung sei, er habe seine Vertriebsfunktion zu offensiv interpretiert, das von ihm gepflegte Netzwerken sei nicht gewollt, hätte sie ihn abmahnen können, er hätte sich danach gerichtet.

Auch eine Abwägung der beiderseitigen Interessen führe zu dem Ergebnis, dass die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 2. Juli 2020 nicht aus Verhaltensgründen sozial gerechtfertigt sei.

Sie sei auch nicht aus betrieblichen Gründen sozial gerechtfertigt. Die Chronologie der Ereignisse zeige, dass die Beklagte keine unternehmerische Entscheidung zur Reorganisation des Vertriebs getroffen habe, sondern dass sie seit Anfang 2020 auf sein Ausscheiden aus dem Unternehmen hingewirkt habe.

Der Auflösungsantrag der Beklagten sei nicht begründet, denn er habe stets nur zum Vorteil der Beklagten gehandelt. Es gebe daher keine Gründe, die einer weiteren den Betriebszwecken dienlichen Zusammenarbeit entgegengestanden hätten. Es gebe zahlreiche Indizien, dass der Unternehmenswert im Gutachten der F. bewusst unrichtig angegeben worden sei.

Die Beklagte habe die von ihm gelöschten Inhalte des iPhones wiederhergestellt und ausgewertet. Das stelle einen schwerwiegenden Verstoß gegen datenschutzrechtliche Regelungen dar. Nach dem Erwägungsgrund 146 zur DS-GVO müsse ein Verstoß effektiv sanktioniert werden. Der Schadenersatz nach Art. 82 DS-GVO solle abschreckende Wirkung haben. Diese werden bei einer Bemessung des Schadenersatzes in Höhe eines Bruttomonatseinkommens nicht erreicht.

Die Parteien haben in der Berufungsinstanz übereinstimmend den Klagantrag Ziff. 3 (allgemeiner Feststellungsantrag) für erledigt erklärt. Der Erledigungserklärung betreffend den Weiterbeschäftigungsantrag (Ziff. 4) hat die Beklagte indes nicht zugestimmt.

 

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim (Kammern Heidelberg) vom 20. Mai 2021, Aktenzeichen 14 Ca 135/20, wird abgeändert.

  1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten im Schreiben vom 2. Juli 2020 zum 30. September 2020 aufgelöst worden ist.
  2. Es wird festgestellt, dass der Weiterbeschäftigungsantrag (Klagantrag Ziff. 4) erledigt ist.
  3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weiteren Schadensersatz i.H.v. 15.000,00 EUR netto zu zahlen.
  4. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 10. November 2020 aufgelöst worden ist.
  5. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die höchst vorsorgliche ordentliche Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 10. November 2020 zum 31. Januar 2021 aufgelöst worden ist.
  6. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständiges Arbeitsentgelt für den Monat Oktober 2020 i.H.v. 7.500,00 EUR brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 2.178,00 EUR netto nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. November 2020 zu zahlen.
  7. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständiges Arbeitsentgelt für den Monat November 2020 i.H.v. 7.500,00 EUR brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 2.178,00 EUR netto nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2020 zu zahlen.
  8. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständiges Arbeitsentgelt für den Monat Dezember 2020 i.H.v. 7.500,00 EUR brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 2.178,00 EUR netto nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2021 zu zahlen.
  9. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständiges Arbeitsentgelt für den Monat Januar 2021 i.H.v. 7.916,00 EUR brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 2.215,50 EUR netto nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2021 zu zahlen.
  10. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständiges Arbeitsentgelt für den Monat Februar 2021 i.H.v. 7.916,00 EUR brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 2.215,50 EUR netto nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2021 zu zahlen.
  11. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständiges Arbeitsentgelt für den Monat März 2021 i.H.v. 7.916,00 EUR brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 2.215,50 EUR netto nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2021 zu zahlen.
  12. Der hilfsweise gestellte Auflösungsantrag wird abgewiesen.
  13. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

               

Die Beklagte beantragt,

  1. das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim – Kammern Heidelberg – vom 20. Mai 2021 (14 Ca 135/20) wird in den Ziffern 1 bis 5 und 7 des Tenors abgeändert.
  2. die Klage wird insgesamt abgewiesen.
  3. die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
  4. für den Fall, dass das Gericht zu der Entscheidung gelangt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die fristlose Kündigung im Schreiben vom 2. Juli 2020 geendet hat, und im Anschluss hieran feststellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch die ordentliche Kündigung im Schreiben vom 2. Juli 2020 zum 30. September 2020 beendet worden ist, das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2020 aufzulösen gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch 20.000,00 EUR brutto nicht übersteigen sollte.

               

Die Beklagte trägt vor, die außerordentliche Kündigung vom 2. Juli 2020 sei wirksam. Sie habe die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Herr K1 habe sich vom 26. bis 29. Juni 2020 mit dem nicht zugriffsgesicherten E-Mail-Account des Klägers befasst. Im Rahmen seines Auskunfts- und Einsichtsrechts nach § 51a GmbHG habe er sich als Geschäftsführer der Mitgesellschafterin einen Überblick über den Umfang der Tätigkeit des Klägers und seine Aufgaben verschaffen wollen, um die zu treffende Organisationsentscheidung in der Gesellschafterversammlung vorzubereiten. Die vorgetragenen E-Mail-Verkehre, Anlagen B 9 bis B 17, habe Herr K1 dem Geschäftsführer am 29. Juni 2020 kursorisch und bei der Besprechung am 30. Juni 2020 detailliert geschildert.

Ein Sachvortragsverwertungsverbot bestehe weder bezüglich der E-Mails noch betreffend die WhatsApp-Kommunikation. Der Messenger-Dienst WhatsApp habe in diesem Kontext keine andere rechtliche Qualität als der E-Mail-Account. Die Privatnutzung des dienstlichen E-Mail-Accounts sei den Mitarbeitern verboten gewesen. Im Übrigen müsse nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für jedes personenbezogene Datum eine Persönlichkeitsrechtsverletzung gesondert festgestellt werden. Die zur Begründung der Kündigung vorgelegten E-Mails und WhatsApp-Nachrichten seien nicht privater, sondern dienstlicher Natur, insbesondere die Kommunikation mit Herrn G. von H. Ihre Auswertung verletzte das Persönlichkeitsrecht des Klägers nicht. Das Arbeitsgericht habe insoweit nicht ausreichend gewürdigt, dass der Kläger vor Übergabe des iPhones private Daten gelöscht und damit alle nicht gelöschten Daten ihr zur Verfügung gestellt habe und dass ihr nach der Weigerung des Klägers, ihre Fragen zu beantworten, keine andere Möglichkeit als die Auswertung des Smartphones geblieben sei, um den bestehenden Verdacht schweren pflichtwidrigen Verhaltens zu klären. Nachdem der Kläger Gelegenheit gehabt habe, Privatdaten auf dem iPhone zu löschen, sei es nicht mehr erforderlich gewesen, ihn zur Auswertung der übrigen Daten hinzuzuziehen. Das iPhone, das der Kläger zurückgegeben habe, gehöre ihr. Sie habe es nach 2016 gekauft und dem Kläger zur Verfügung gestellt.

Der Kläger habe mit der Präsentation im Februar 2016 Geschäftsgeheimnisse an die beteiligten Mitarbeiter von H weitergegeben (im Einzelnen ABl. 317 f.).

Die ordentliche Kündigung vom 2. Juli 2020 sei auch als betriebsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt. Die Aufgaben des Klägers seien wie folgt verteilt:

- Leitung Sales:

Soweit nicht auf die amerikanische Tochtergesellschaft übertragen, nehme der Geschäftsführer die Leitungsaufgaben wahr.

- Strategie zur Marktöffnung: Dafür seien die Vertriebsmitarbeiter in ihrem Zuständigkeitsbereich verantwortlich.

- Festigung und Aufbau der Vertriebsstrukturen: Diese Aufgabe habe E2 übernommen.

- Aufbau der Vertriebsstrukturen … Inc.: F. unter Mitarbeit von J.

- Aufbau der Vertriebsstrukturen indirekt Sales: Aufgabe entfällt.

- Coaching und Mentoring und Monotoring aller Tätigkeiten des Sales-Manager: Geschäftsführer.

Aus den weiteren Aufgabenfeldern, die vom Kläger geltend gemacht würden, ergäbe sich für ihn kein Beschäftigungsbedarf:

- … (… Kunden):

Der Kläger sei schon bei seiner Ernennung zum Vertriebsleiter weitgehend aus der Kundenbetreuung herausgenommen worden. Die restlichen etwa fünf Kunden seien auf die zuständigen Vertriebsmitarbeiter aufgeteilt worden.

- Finance & Accounting:

Hierfür sei der Kläger nicht zuständig gewesen. Er habe lediglich zusammen mit der zuständigen O. eine grafische Darstellung der Umsatzentwicklung und entsprechende Auswertungsdiagramme erstellt. Das sei eine einmalige Aufgabe gewesen.

- Pricing (Preismodelle, Preisliste, Rabattsysteme):

Das grundlegende Preismodell habe schon zum Zeitpunkt der Einstellung des Klägers bestanden. Er und der Geschäftsführer hätten dieses Preismodell 2018 für …kunden und Auftragsforschungsinstitute angepasst. Das sei eine einmalige Aufgabe gewesen. Der Kläger habe auch an der Erstellung von Preislisten und Rabattsystemen mitgewirkt. Neue Preislisten seien jedoch erst dann erforderlich, wenn sie neue Module entwickelt habe. Sollte das der Fall sein, werde der Geschäftsführer zusammen mit Frau F. die Preisliste erstellen.

- Sales-Marketing:

Der Kläger sei nicht für das Marketing zuständig. Dieser Bereich werde ausschließlich von L1 verantwortet.

Dem Kläger stehe wegen der Auswertung des iPhones kein Schadenersatzanspruch zu. Sie habe lediglich berechtigte Interessen wahrgenommen, auch weil der Kläger wider besseres Wissen seinen Abkehrwillen bestritten habe. Ein Schaden sei nicht dargelegt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers sei nicht verletzt worden, denn ihr Kenntnisstand wäre ohne Auswertung der gleiche gewesen, hätte der Kläger ihren Auskunftsanspruch zu den weitergeleiteten Betriebsinterna erfüllt.

Zu den weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die Schriftsätze der Parteien verwiesen, die diese in beiden Instanzen gewechselt haben.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufungen beider Parteien sind zulässig (I.). Die Berufung des Klägers ist weitestgehend begründet, die Berufung der Beklagten weitestgehend unbegründet (II.).

I.

Die Berufungen beider Parteien sind zulässig. Sie sind gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b, c ArbGG statthaft und gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519 Abs. 1 und 2, 520 Abs. 1 und 3 ZPO iVm. § 11 Abs. 4 Satz 2 ArbGG in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung des Klägers hat überwiegend Erfolg, diejenige der Beklagten bleibt größtenteils erfolglos. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder durch die außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung der Beklagten vom 2. Juli 2020 (1.) noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung gleichen Datums zum 30. September 2020 (2.) aufgelöst worden. Der Auflösungsantrag der Beklagten zum 30. September 2020 war zurückzuweisen (3.). Die außerordentliche Kündigung vom 10. November 2020 ist ebenfalls unwirksam genauso wie die hilfsweise ordentliche Kündigung zum 31. Januar 2021 (4.). Dem Kläger steht Lohn für die Monate Juli 2020 bis März 2021 zu (5.). Er hat einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung wegen Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften, jedoch lediglich in Höhe von 3.000,00 EUR (6.). Schließlich war die Erledigung des Antrags auf Weiterbeschäftigung festzustellen (7.).

Im Einzelnen:

  1. Die außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung vom 2. Juli 2020 ist unwirksam. Ein Grund zur fristlosen Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB liegt nicht. Dies folgt aus einem umfassenden Sachvortragsverwertungsverbot hinsichtlich des Kündigungsvortrags der Beklagten.
  2. a) Die Kündigung ist nicht gemäß §§ 4 Satz 1, 7, 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG wirksam. Der Kläger hat rechtzeitig innerhalb von drei Wochen nach Kündigungszugang Klage erhoben.
  3. b) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 8. Mai 2014 – 2 AZR 249/13 – Rn. 16).

Als „an sich“ wichtiger Grund anerkannt ist der Verrat von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen (BAG 8. Mai 2014 – 2 AZR 249/13 – Rn. 26; LAG Sachsen-Anhalt 2. September 2011 – 6 Sa 469/10 – Rn. 58). Ebenso ist als wichtiger Grund neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten „an sich“ geeignet. Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Der Arbeitnehmer hat seine Arbeitspflichten so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben verlangt werden kann (BAG 8. Mai 2014 – 2 AZR 249/13 – Rn. 19).

c) Unter Anwendung dieser Maßstäbe kann die Kammer einen Grund zur fristlosen Kündigung nicht erkennen. Die Kammer neigt – entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts – bereits dazu, das im Verhaltensbereich grundsätzlich bestehende Abmahnungserfordernis im konkreten Fall in Ansehung der vorgeworfenen Pflichtverletzungen nicht als ausnahmsweise entbehrlich anzusehen (aa). Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, da alle von der Beklagten vorgebrachten Verhaltensverstöße des Klägers auf der Auswertung von dessen E-Mail-Postfach sowie WhatsApp-Account beruhen und insoweit ein umfassendes Sachvortragsverwertungsverbot besteht (bb).

aa) Nach Ansicht der Kammer spricht bereits viel dafür, dass die Beklagte den Kläger vor Ausspruch einer Kündigung hätte abmahnen müssen.

(1) Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach einer Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG 27. Februar 2020 – 2 AZR 570/19 – Rn. 23, BAGE 170, 84; 13. Dezember 2018 – 2 AZR 370/18 – Rn. 30; 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16 – Rn. 28, BAGE 159, 267). Liegt nur eine dieser Fallgruppen vor, kann Ergebnis der Interessenabwägung nicht sein, den Kündigenden auf eine Abmahnung als milderes Mittel zu verweisen (vgl. BAG 27. Februar 2020 – 2 AZR 570/19 – Rn. 24, a.a.O.).

Die erste Fallgruppe beruht auf dem Gedanken, dass bei steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers grundsätzlich davon auszugehen ist, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (BAG 27. Februar 2020 – 2 AZR 570/19 – Rn. 23, BAGE 170, 84; 13. Dezember 2018 – 2 AZR 370/18 – Rn. 30; 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16 – Rn. 28, BAGE 159, 267).

Die zweite Fallgruppe betrifft ausschließlich das Gewicht der in Rede stehenden Vertragspflichtverletzung, die für sich schon die Basis für eine weitere Zusammenarbeit irreparabel entfallen lässt. Dieses bemisst sich gerade unabhängig von einer Wiederholungsgefahr. Die Schwere einer Pflichtverletzung kann zwar nur anhand der sie beeinflussenden Umstände des Einzelfalls beurteilt werden, diese müssen aber die Pflichtwidrigkeit selbst oder die Umstände ihrer Begehung betreffen. Dazu gehören etwa ihre Art und ihr Ausmaß, ihre Folgen, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers sowie die Situation, in der sie sich ereignete. Sonstige Umstände, die Gegenstand der weiteren Interessenabwägung sein können, wie etwa ein bislang unbelastetes Arbeitsverhältnis, haben bei der Prüfung der Schwere der Pflichtverletzung außer Betracht zu bleiben (BAG 20. Mai 2021 – 2 AZR 596/20 – Rn. 27 f).

(2) Danach spricht vorliegend vieles dafür, dass eine Abmahnung entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts nicht entbehrlich war.

Die Kammer erkennt, genauso wie das Arbeitsgericht, im Verhalten des Klägers, insbesondere in der Weitergabe von Informationen an Herrn G. von H, keinen vorsätzlichen Schädigungswillen. Es würde auch nicht unmittelbar einleuchten, warum der Kläger die Beklagte als Unternehmen, an dessen Wertentwicklung er über seine Gesellschaftsanteile partizipierte, bewusst zu Gunsten von Konkurrenzunternehmen schwächen sollte. Bei einer finanziellen Beteiligung eines Arbeitnehmers am Unternehmen in Form von Gesellschaftsanteilen kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Interesse an deren wirtschaftlichem Erfolg unterstellt werden (BAG 24. März 2011 – 2 AZR 674/09 – Rn. 34.)

Die vom Arbeitsgericht angenommene Bedrohung der Beklagten dergestalt, dass H als in der …branche beratendes Unternehmen durch die potentielle Weitergabe der vom Kläger erhaltenen Informationen in einem möglichen Beratungsauftrag mit einem Konkurrenten diesem einen Vorteil und der Beklagten einen Nachteil verschaffen könnte, ist zudem lediglich (höchst) mittelbarer Natur. Dass es zu einer konkreten Schädigung der Beklagten durch das Verhalten des Klägers gekommen ist, hat die Beklagte nicht behauptet. Ein unmittelbarer finanzieller oder andersartiger Nutzen des Klägers aus der Informationsweitergabe an H über das von ihm beschriebene „Networking“ hinaus ist nicht erkennbar.

Gegen ein subjektives Unrechtsbewusstsein des Klägers betreffend die Informationsweitergabe an H spricht auch, dass der Kläger seine – von der Beklagten bemängelte – Präsentation gegenüber H-Mitarbeitern über den WebEx-Account des Geschäftsführers der Beklagten durchgeführt hat mit der Folge, dass dieser Termin, wie der Kläger wusste, im Terminkalender des Geschäftsführers der Beklagten automatisch hinterlegt war. Der Kläger hat demnach nicht konsequent versucht, seine fortbestehenden Kontakte zu H zu verstecken. Dies zeigt auch die Vermittlung eines Experteninterviews des Geschäftsführers der Beklagten mit H. Ein bewusstes und planmäßiges Handeln entgegen den Interessen der Beklagten kann nicht festgestellt werden.

Sofern aber nicht ohne weiteres angenommen werden kann, dass der Kläger die Unzulässigkeit seines Verhaltens von sich aus unzweifelhaft erkannte, spricht viel dafür, dass die Beklagte ihn auf die Pflichtwidrigkeit seines – auch nach Ansicht der Kammer objektiv zu weitgehenden – „Networkings“ in Form einer Abmahnung aufmerksam machen musste. Es kann unter der zutreffenden Annahme des Arbeitsgerichts, dass ein Schädigungsvorsatz nicht erkennbar ist, nicht ohne weiteres angenommen werden, dass der Kläger nach einer derartigen Abmahnung nicht eine Verhaltensänderung vorgenommen hätte. Eine Entbehrlichkeit der Abmahnung nach der ersten Fallgruppe scheidet mithin aus.

Auch die vom Arbeitsgericht in der Sache angenommene Entbehrlichkeit nach der zweiten Fallgruppe ist nach Ansicht der Kammer eher abzulehnen. Konkrete Schädigungen oder andere nachteilige Folgen des Verhaltens des Klägers sind über die mittelbare Bedrohung hinaus nicht erkennbar. Diese Bedrohung war auch nicht derart hoch, dass es lediglich reines Glück war, dass sich kein Schadensereignis realisierte. Dies zeigt schon der lange Zeitraum über mehrere Jahre, in dem negative Folgen ausgeblieben sind.

Zudem hätte der Kläger zwar durchaus erkennen können, dass das von ihm als solches beschriebene „Networking“ zu weit ging, zumal auch der Kläger nicht darlegen konnte, dass die Beklagte von der Informationsweitergabe an H in irgendeiner Form konkret profitiert hat. Gemäß dem vom Arbeitsgericht zutreffend verneinten Schädigungswillen des Klägers kann indes nicht davon gesprochen werden, dass der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers derart hoch war, dass aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung eine Abmahnung der Beklagten nicht mehr zumutbar war.

Es mag zwar Anhaltspunkte dafür geben, dass die Basis für eine weitere Zusammenarbeit der Parteien nicht mehr gegeben und das wechselseitige Vertrauen zwischen den Parteien erheblich gestört war. Diese Vertrauensstörung resultierte jedoch nicht aus den vorgeworfenen Pflichtverletzungen, sondern aus Umständen, die bereits vor der Kenntnis der Beklagten von den Pflichtwidrigkeiten vorlagen (Streit über die Erhöhung der Vergütung; Kündigung der stillen Beteiligung durch den Kläger; wechselseitige Äußerung eines Trennungswillens). Für die Frage der Entbehrlichkeit der Abmahnung nach der zweiten Fallgruppe sind derartige Umstände, die mit der vertraglichen Pflichtverletzung in keinem Zusammenhang stehen, indes unbeachtlich.

b) Letztlich kann die Frage nach dem Abmahnungserfordernis jedoch dahinstehen. Denn weder die von der Beklagten zur Begründung der Kündigung vorgelegten E-Mails noch die vorgelegten WhatsApp-Nachrichten sind prozessual verwertbar. Der Kläger beruft sich insoweit zu Recht auf ein umfassendes Sachvortragsverwertungsverbot nach Art. 1, 2 Abs. 1 GG iVm. § 26 BDSG.

aa) Ein Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot wegen einer Verletzung des gemäß Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Partei (vgl. auch Art. 8 Abs. 1 EMRK) kann sich im arbeitsgerichtlichen Verfahren aus der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung des Prozessrechts – etwa von § 138 Abs. 3, § 286, § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO – ergeben. Wegen der nach Art. 1 Abs. 3 GG bestehenden Bindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte und der Verpflichtung zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung hat das Gericht zu prüfen, ob die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar ist. Das Grundrecht schützt neben der Privat- und Intimsphäre und seiner speziellen Ausprägung als Recht am eigenen Bild auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das die Befugnis garantiert, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden (vgl. BAG 27. Juli 2017 – 2 AZR 681/16 – Rn. 16). Da der Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG grundsätzlich gebietet, den Sachvortrag der Parteien und die von ihnen angebotenen Beweise zu berücksichtigen, kommt ein „verfassungsrechtliches Verwertungsverbot" nur in Betracht, wenn dies wegen einer grundrechtlich geschützten Position einer Prozesspartei zwingend geboten ist (BAG 23. August 2018 – 2 AZR 133/18 – Rn. 14).

Die Bestimmungen des BDSG über die Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung konkretisieren und aktualisieren den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Sie ordnen für sich genommen jedoch nicht an, dass unter ihrer Missachtung gewonnene Erkenntnisse oder Beweismittel bei der Feststellung des Tatbestands im arbeitsgerichtlichen Verfahren vom Gericht nicht berücksichtigt werden dürften. War die betreffende Maßnahme nach den Vorschriften des BDSG zulässig, liegt insoweit keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Gestalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung vor. Ein Verwertungsverbot scheidet von vornherein aus. So liegt es namentlich, wenn die umfassende Abwägung der widerstreitenden Interessen und Grundrechtspositionen im Rahmen der Generalklausel des § 26 Abs. 1 BDSG n.F. (früher: § 32 Abs. 1 BDSG a.F.) zugunsten des Arbeitgebers ausfällt (BAG 23. August 2018 – 2 AZR 133/18 – Rn. 15, BAGE 163, 239; LAG Niedersachsen 6. Juli 2022 – 8 Sa 1148/20 – Rn. 72 ff).

War die fragliche Maßnahme nach den Bestimmungen des BDSG indes nicht erlaubt, folgt hieraus regelmäßig ein Verbot der Verwertung der unzulässig beschafften Daten und Erkenntnisse. Allenfalls wenn weitere, über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Aspekte hinzutreten und diese besonderen Umstände gerade die in Frage stehende Informationsbeschaffung als gerechtfertigt ausweisen, kann trotz unzulässiger Datenerhebung eine Verwertung in Betracht kommen (BAG 27. Juli 2017 – 2 AZR 681/16 –, BAGE 159, 380 ff, Rn. 41; LAG Berlin-Brandenburg 11. September 2020 – 9 Sa 584/20 – Rn. 83). Ebenso kann eine Verwertung ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn die (Grund-)Rechtswidrigkeit der Datenerhebung allein gegenüber anderen Beschäftigten besteht, die ungerechtfertigte „vorprozessuale“ Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die Verwertung ausnahmsweise nicht perpetuiert oder vertieft würde und der Verwertung auch Gründe der Generalprävention nicht entgegenstehen (BAG 23. August 2018 – 2 AZR 133/18 – Rn. 15 mwN, BAGE 163, 239; LAG Niedersachsen 6. Juli 2022 – 8 Sa 1148/20 – Rn. 64 f).

bb) Unter Anwendung dieser Maßstäbe besteht ein umfassendes Verwertungsverbot bezüglich der E-Mails und WhatsApp-Nachrichten.

(1) Die hier fragliche Verarbeitung von Daten durch die Weitergabe sowie das Lesen der E-Mails und WhatsApp-Nachrichten erfolgte ab Juni 2020. Es ist deshalb das Bundesdatenschutzgesetz in der ab dem 25. Mai 2018 geltenden Fassung sowie die Datenschutzgrundverordnung der Europäischen Union (EU-Verordnung 2016/679) anzuwenden. Die Datenschutz-Grundverordnung (im Folgenden nur: DS-GVO) ist am 24. Mai 2016 in Kraft getreten. Sie beansprucht seit dem 25. Mai 2018 in der gesamten Europäischen Union (EU) Geltung und hat die bisherige allgemeine Datenschutz-Richtlinie 95/46/EG ersetzt (vgl. LAG Niedersachsen 6. Juli 2022 – 8 Sa 1148/20 – Rn. 64 f). Noch nicht anwendbar auf die vorliegende Datenverarbeitung ist das am 1. Dezember 2021 in Kraft getretene Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz (TTDSG), das insbesondere eine Ablösung des Fernmeldegeheimnisses in § 88 TKG a.F. durch § 3 TTDSG bewirkt hat (dazu Wünschelbaum NJW 2022, 1561 ff).

(2) Sowohl die Weitergabe der E-Mails von der Beklagten an den Gesellschafter K1 als auch das Lesen der E-Mails und WhatsApp-Nachrichten des Klägers stellen eine Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten dar, die an § 26 Abs. 1 BDSG zu messen ist. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob die Privatnutzung dienstlicher Kommunikationsmittel erlaubt war oder nicht. Auch bei einem Verbot der Privatnutzung muss eine Verarbeitung nach zutreffender und auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellter Ansicht den Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 BDSG entsprechen (statt aller Akkilic NZA 2020, 623, 625; Maschmann NZA-Beilage 2018, 115, 122; Wybitul NJW 2014, 3605, 3606; Kramer PersLex, E-Mail-Nutzung, beck-online).

Gleichwohl spielt die Frage nach der Zulässigkeit einer erfolgten Privatnutzung für die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung eine wichtige Rolle (Maschmann a.a.O. mwN). Hat der Arbeitgeber nur eine dienstliche Nutzung von E-Mails bzw. anderen betrieblichen Kommunikationsmitteln erlaubt, gehen seine Einsichtsmöglichkeiten erheblich weiter als bei einer erlaubten Privatnutzung (Akkilic a.a.O.; Wybitul a.a.O.). Hat der Arbeitgeber den Privatgebrauch kraft Weisungsrechts generell untersagt, sind Kontrollen grundsätzlich zulässig, schon um die Einhaltung des Verbots zu überprüfen. Grenzen für die Überwachung zieht „nur“ § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG und der dort verankerte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Von ein- und ausgehenden dienstlichen E-Mails seiner Mitarbeiter darf der Arbeitgeber nach herrschender Ansicht im selben Maße Kenntnis nehmen wie von deren dienstlichem Schriftverkehr (Maschmann a.a.O. mwN). Der Grundsatz der Erforderlichkeit nach § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG ist jedoch stets zu wahren (Akkilic a.a.O.; Wybitul a.a.O.).

(3) Hat der Arbeitgeber die private Nutzung ausdrücklich gestattet oder sie zumindest widerspruchlos geduldet, wird in der Literatur vielfach die Ansicht vertreten, dass der Arbeitgeber dann als Anbieter von Telekommunikationsdiensten iSd. § 3 Nr. 6 TKG a.F. bzw. von Telemedien iSd. § 2 Nr. 1, § 11 TMG a.F. gilt mit der Folge der Anwendbarkeit des Fernmeldegeheimnisses nach § 88 TKG a.F., § 206 StGB (Brink/Schwab ArbRAktuell 2018, 111, 112; Maschmann a.a.O. S. 122 f; Akkilic a.a.O.; A.A. Fokken NZA 2020, 629 ff). Befinden sich auf dem Endgerät eines Mitarbeiters sowohl dienstliche als auch private E-Mails, die unter den Schutz des Fernmeldegeheimnisses fallen, besteht nach dieser Ansicht bei erlaubter Privatnutzung ein umfassendes Verarbeitungsverbot für die privaten E-Mails, das auch auf die im Übrigen zulässige Verarbeitung der dienstlichen E-Mails „durchschlägt“ (so Maschmann a.a.O. S. 123; Mengel NZA 2017, 1494, 1496; ders. Compliance, § 7. Datenschutz und Kontrolle am Arbeitsplatz Rn. 42: Die Privatnutzung „infiziert“ die dienstliche Nutzung).

Soweit die Anwendbarkeit von § 88 TKG a.F. bei abgeschlossenem Versandvorgang (LAG Hessen 21. September 2018 – 10 Sa 601/18 – Rn. 71) oder grundsätzlich (Fokken a.a.O.) abgelehnt wird, wird die große Schutzbedürftigkeit von Äußerungen in privaten E-Mails jedenfalls im Rahmen einer verschärften Verhältnismäßigkeitskontrolle bei der Prüfung von § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG berücksichtigt (LAG Hessen a.a.O. Rn. 91; Fokken a.a.O.: ebenso Thüsing Beschäftigtendatenschutz, § 9. Speicherung und Sichtung von E-Mails und E-Mail-Logfiles Rn. 44, beck-online). So muss der Arbeitnehmer bei erlaubter Privatnutzung vor einer Maßnahme regelmäßig vorab informiert und ihm die Gelegenheit gegeben werden, private Nachrichten in einem gesonderten Ordner zu speichern, auf die kein Zugriff erfolgt (vgl. Akkilic a.a.O.). Eine verdeckte Auswertung eines auch zur Privatnutzung freigegebenen E-Mail-Accounts „ins Blaue hinein“ ist unzulässig (LAG Hessen a.a.O. Rn. 91).

Nach beiden Ansichten führt mithin die Erlaubnis oder Duldung der Privatnutzung zu einer massiven Beschränkung der arbeitgeberseitigen Befugnisse (Maschmann a.a.O. S. 123; Thüsing a.a.O.).

(4) Diese dargestellten Maßstäbe für die Verarbeitung von Beschäftigtendaten werden durch die von Seiten der Beklagten angeführte Vorschrift in § 51a GmbHG weder verdrängt noch gemindert.

Die gesellschaftsrechtliche Vorschrift, nach der die Geschäftsführer einer GmbH jedem Gesellschafter auf Verlangen unverzüglich Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben und die Einsicht der Bücher und Schriften zu gestatten haben, regelt ausschließlich das Verhältnis der Gesellschafter zu den Geschäftsführern einer GmbH. Hinsichtlich der Berechtigung und Grenzen der Verarbeitung personenbezogener Daten eines Beschäftigten der GmbH trifft die Norm keine Aussage. Im Tatbestand der Vorschrift werden keine näheren Anforderungen an die Verarbeitung personenbezogener Daten aufgestellt. Auch in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 8/1347, S. 43 ff) finden sich keine Anhaltspunkte, dass der Gesetzgeber bei der Einführung des § 51a GmbHG die Weitergabe personenbezogener Daten überhaupt nur bedacht hat oder gar regeln wollte (Leinekugel/Weigel, GmbHR 2015, 393, 395). Anders als mit der Einführung von § 26 Abs. 1 BDSG wurde mit § 51a GmbHG auch nicht die in Art. 88 Abs. 1 DS-GVO vorgesehene Option ausgeübt, für den Beschäftigungsbereich spezifischere Vorschriften zu erlassen (vgl. dazu BeckOK DatenschutzR/Riesenhuber, 42. Ed. 1.11.2022, BDSG § 26). § 51a GmbHG beinhaltet daher keine bereichsspezifischen Regelungen zum Datenschutz. Die Weitergabe personenbezogener Daten ist vielmehr auch im Rahmen des § 51a GmbHG an den Vorgaben des BDSG und der DS-GVO zu messen (Leinekugel/Weber a.a.O.).

Soweit Beschäftigtendaten betroffen sind, beinhaltet einzig § 26 BDSG den anzulegenden Maßstab. Dies gilt jedenfalls im vorliegenden Fall, in dem nach dem Vortrag der Beklagten die Weitergabe der E-Mails von der Beklagten an Herrn K1 für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses iSv. § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG erfolgte, namentlich zur Vorbereitung einer Organisationsentscheidung betreffend den Arbeitsplatz des Klägers und einer möglichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Ob zu anderen (beschäftigungsfernen) Zwecken die Weitergabe von personenbezogenen Daten eines Mitarbeiters von einer Gesellschaft an die Gesellschafter vorrangig an Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO und damit am Maßstab "berechtigter Interessen" des Gesellschafters zu messen ist (so zu §§ 28 Abs. 1 Nr. 2, 30 BDSG a.F. Leinekugel/Weber a.a.O. S. 396 ff) und § 26 BDSG insoweit nur bei den zu berücksichtigenden "Interessen der betroffenen Person" Eingang in die Prüfung findet, kann deshalb dahinstehen.

(5) Vorliegend geht die Kammer bereits hinsichtlich der umfangreichen Auswertung der E-Mails des Klägers von einem Sachvortragsverwertungsverbot aus. Die erfolgte Weitergabe aller E-Mails zur Auswertung durch Herrn K1 war unverhältnismäßig gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG. Dies gilt nach Ansicht der Kammer sogar dann, wenn man von einer unerlaubten Privatnutzung ausgeht. Angesichts der besonderen Umstände des Einzelfalls geht die Kammer indes sogar davon aus, dass der Kläger berechtigterweise eine Erlaubnis zur privaten Nutzung annehmen durfte.

(a) Der Begriff der „Erforderlichkeit“ in § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG ist genauso zu verstehen wie bisher im Rahmen des § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG a.F., dh. im Sinne einer strikten Geltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (Kühling/Buchner/Maschmann, 3. Aufl. 2020, BDSG § 26 Rn. 19). Danach muss die vom Arbeitgeber gewählte Art und Weise einer Datenverarbeitung für die Verwirklichung der (zulässigerweise) verfolgten Zwecke überhaupt geeignet sein. Es dürfen keine anderen, zur Zielerreichung gleich wirksamen und das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer weniger einschränkenden Mittel zur Verfügung stehen. Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Angemessenheit) ist gewahrt, wenn die Schwere des Eingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe steht. Die Datenerhebung, -verarbeitung oder -nutzung darf keine übermäßige Belastung für den Arbeitnehmer darstellen und muss der Bedeutung des Informationsinteresses des Arbeitgebers entsprechen (BAG 27. Juli 2017 – 2 AZR 681/16 – BAGE 159, 380 ff, Rn. 30).

(b) Die Beklagte führt als Zweck für die Überlassung sämtlicher E-Mails des Klägers an Herrn K1 aus, dass dieser sich einen Überblick über den Umfang der Tätigkeit und die konkreten Aufgaben, die der Kläger bis dahin erledigt hatte, habe verschaffen wollen, um in der Gesellschafterbesprechung am 30. Juni 2020 eine Aussage zu der Frage treffen zu können, welche Organisationsentscheidung bei der Beklagten im Hinblick auf den Arbeitsplatz des Klägers aufgrund seines Abwanderungswillens zu treffen sei.

(c) Wenn man diesen – vom Kläger bestrittenen – Zweck der Maßnahme als wahr unterstellt, war die konkrete Datenerhebung im erfolgten Umfang unverhältnismäßig, da sie weder geeignet noch erforderlich war.

Die Auswertung der E-Mails erfolgte für die komplette Dauer des Arbeitsverhältnisses der Parteien. Die beklagtenseits vorgelegten E-Mails zu der vom Kläger durchgeführten Präsentation des Unternehmens gegenüber H-Mitarbeitern datieren bereits von Januar 2016. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger noch nicht einmal als Vertriebsleiter tätig. Es ist weder vorgetragen noch für die Kammer ansonsten erkennbar, inwieweit aus 4,5 Jahren alten E-Mails, die während der Dauer einer anderen Aufgabenwahrnehmung verfasst wurden, irgendwelche brauchbaren Informationen für eine zu treffende Entscheidung über die Änderung der derzeitigen Arbeitsorganisation deduziert werden könnten. Die Maßnahme war in ihrer konkreten Ausgestaltung damit größtenteils nicht einmal zweckdienlich und damit insoweit ungeeignet.

Jedenfalls war sie nicht erforderlich, weil weniger eingriffsintensive mildere Mittel zur Verfügung standen. Die aktuellen Aufgaben des Klägers als Vertriebsleiter ergaben sich bereits aus der von der Beklagten vorgelegten umfassenden Stellenbeschreibung (ABl. 106 der erstinstanzlichen Akte). Die Beklagte hat – im Kontext ihres Auflösungsbegehrens – zudem selbst vorgetragen, dass der Kläger während des bestehenden Arbeitsverhältnisses in ständigem Kontakt zu Herrn K1 stand, es eine enge Beziehung gab, der Kläger sehr intensiv mit Herrn K1 korrespondierte und er alle wesentlichen geschäftlichen Themen nicht nur mit Herrn B1, sondern auch mit Herrn K1 besprochen hat (ABl. 589 ff der erstinstanzlichen Akte). Insoweit ist schon nicht erkennbar, welche verbleibende Informationslücke betreffend die Tätigkeiten des Klägers Herr K1 im Hinblick auf die anstehende Organisationsentscheidung hatte, die er mittels Lektüre der E-Mails des Klägers zu schließen versuchte.

Jedenfalls hätten ergänzende Fragen zu Aufgaben und Tätigkeiten von Geschäftsführer B1 dem Gesellschafter K1 leicht beantwortet werden können. Der Geschäftsführer definierte die Aufgaben des Klägers und kannte dessen Tätigkeit aus der unmittelbaren Zusammenarbeit in dem – mit rund 30 bis 35 Mitarbeitern – kleinen Betrieb der Beklagten. Es ist nicht vorgetragen oder ansonsten erkennbar, warum die hierdurch gewonnenen Informationen als Tatsachengrundlage für die zu treffende Organisationsentscheidung der Gesellschafter nicht ausgereicht hätten. Hierauf hat die Kammer bereits im Hinweisbeschluss vom 24. Februar 2022 aufmerksam gemacht. Gleichwohl hat die Beklagte nicht näher konkretisiert, welcher zusätzliche Erkenntnisgewinn aus der Auswertung aller E-Mails gegenüber den offenkundig weniger eingriffsintensiven Maßnahmen hätte folgen können. Sie hat vielmehr ausschließlich ihre Rechtsansicht wiederholt, das Gericht könne dem Gesellschafter nicht vorgeben, auf welche Weise er sein Auskunfts- und Einsichtsrecht gemäß § 51a GmbHG durchsetze. Diese Ansicht ist indes – wie gezeigt – unrichtig. Die datenschutzrechtlichen Regelungen erfahren durch § 51a GmbHG keine Einschränkung.

(d) Die danach bestehende mangelnde Erforderlichkeit der Maßnahme wird durch die aus Sicht der Kammer gestattete Privatnutzung des E-Mail-Accounts verschärft. Wie oben gezeigt, darf bei ausdrücklich erlaubter oder geduldeter Privatnutzung eine verdachtsunabhängige Maßnahme in aller Regel nicht verdeckt erfolgen. Vielmehr muss dem Arbeitnehmer angekündigt werden, dass und aus welchem Grund eine Verarbeitung von E-Mails stattfinden soll. Es muss ihm die Gelegenheit gegeben werden, private Nachrichten in einem gesonderten Ordner zu speichern, auf den kein Zugriff erfolgt. Dies ist unstreitig nicht geschehen.

(aa) Der Kläger, der seinen dienstlichen E-Mail-Account auch privat genutzt hat, durfte berechtigterweise eine Erlaubnis zur privaten Nutzung annehmen. Zwar hat die Beklagte pauschal behauptet, die Privatnutzung des dienstlichen E-Mail-Accounts sei ausdrücklich verboten gewesen. Diese Tatsachenbehauptung ist indes genauso unsubstantiiert geblieben wie die gegenteilige Behauptung des Klägers, eine Privatnutzung sei ausdrücklich gestattet gewesen.

(bb) Es ist in der Literatur umstritten, welcher Grundsatz gilt, wenn eine klare Regelung hinsichtlich der Privatnutzung eines dienstlichen E-Mail-Accounts nicht besteht, wobei die wohl herrschende Auffassung von einem Verbot der Privatnutzung bei Fehlen einer ausdrücklichen Erlaubnis ausgeht (siehe Maschmann, NZA-Beil. 2018, 115 Fn. 95 zum Meinungsstand mwN; zur wohl h.M. etwa BeckOK DatenschutzR/Riesenhuber, 42. Ed. 1.11.2022, BDSG § 26 Rn. 170, zur Gegenansicht: Brink/Wirtz ArbRAktuell 2016, 255, 255).

Gegen die Annahme eines pauschalen Verbots bei Nichtregelung der Privatnutzung durch den Arbeitgeber könnte nach Ansicht der Kammer sprechen, dass mittlerweile wohl die meisten Unternehmen in Deutschland ihren Mitarbeitern gestatten, auch private E-Mails in bestimmtem Umfang über ihren geschäftlichen Zugang zu versenden oder zu empfangen (zu diesem empirischen Befund Wybitul NJW 2014, 3605, 3607 mwN). Die Privatnutzung eines dienstlichen E-Mail-Accounts ist im Arbeitsleben heutzutage kein Ausnahmefall, sondern durchaus üblich.

Zudem erscheint die von der Gegenansicht (etwa Thüsing a.a.O. Rn. 37; Mengel Compliance, § 7. Datenschutz und Kontrolle am Arbeitsplatz Rn. 41) gezogene Parallele zur sonstigen Unternehmenspost nur bedingt zu überzeugen. Gerade in Bereichen wie dem Vertrieb, in dem es auf den Aufbau von persönlichen Kontakten zu Kunden ankommt, werden neben geschäftlichen Informationen oftmals auch persönliche Informationen in E-Mails integriert, die im vordigitalem Zeitalter per Geschäftsbrief nicht gleichermaßen mit Kunden schriftlich ausgetauscht worden wären. Gleiches gilt beim E-Mail-Verkehr zwischen Kollegen, die oftmals untereinander auch private Freundschaften pflegen. In E-Mails an Kollegen werden regelmäßig – neben dienstlichen Inhalten – auch private Dinge ausgetauscht, die zu Zeiten „traditioneller“ Kommunikation überhaupt nicht schriftlich kommuniziert worden wären. Die E-Mail ist nach der Art ihres üblichen Einsatzes in der betrieblichen Wirklichkeit ein gegenüber dem Geschäftsbrief eigenes Kommunikationsmittel mit regelmäßig höherem Gehalt an persönlichem Informationsaustausch. Sie nimmt verglichen mit dem (Telefon-)Gespräch und dem Geschäftsbrief eine Zwischenstellung ein. Es spricht demnach einiges dafür, dass ein Arbeitgeber, der mit der Privatnutzung des dienstlichen E-Mail-Accounts nicht einverstanden ist, dieses übliche Nutzungsverhalten auch ausdrücklich verbieten muss (i.E. ebenso Brink/Wirtz a.a.O.).

(cc) Letztlich kann die Frage nach dem generellen Regel-, Ausnahmeverhältnis aber dahinstehen. Denn selbst wenn man im Grundsatz von einem Verbot der Privatnutzung ausgehen wollte, wäre aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls hier etwas anderes anzunehmen.

Der Kläger nutzte sowohl für seine private als auch für seine dienstliche Kommunikation umfassend das ihm überlassene iPhone. Er hatte den Erhalt eines rein dienstlichen Smartphones abgelehnt, weil er insgesamt nur ein Gerät für alle privaten und dienstlichen Belange nutzen wollte. Insoweit waren die Parteien sich einig, dass der Kläger seine bislang ausschließlich private SIM-Karte und Mobilfunknummer einbrachte und fortan auch dienstlich nutzte. Die private SIM-Karte sowie die mitgebrachte Mobiltelefonnummer waren für Telefonate, SMS und zur Nutzung des mit der Mobilfunknummer verbundenen Messenger-Dienstes WhatsApp zwingend erforderlich. Insoweit ist – wie das Arbeitsgericht bezüglich WhatsApp vollkommen zutreffend ausgeführt hat – eine einvernehmliche Mischnutzung für private und dienstliche Belange anzunehmen.

Wenn aber hinsichtlich dieser Kommunikationsformen eine einvernehmliche Mischnutzung vorliegt, durfte der Kläger davon ausgehen, dass sich diese Erlaubnis auch auf den dienstlichen E-Mail-Account erstreckte, selbst wenn dieser nicht unmittelbar von SIM-Karte und Mobilfunknummer abhängig war. Die Beklagte hat selbst vorgetragen, dass der Kläger neben Telefonaten und Videokonferenzen auch seinen E-Mail-Verkehr und die Pflege des Terminkalenders über das Smartphone abwickelte und es sich insoweit um ein umfassendes „Kommunikations- und Organisationsgerät“ (ABl. 397) gehandelt habe. Die erlaubte Mischnutzung bezüglich bestimmter Kommunikationsformen bewirkt nach Ansicht der Kammer daher die berechtigte Erwartung, dass dies – bis zu einem ausdrücklichen Verbot der Beklagten – auch hinsichtlich anderer Kommunikationsformen gelten sollte. Selbst die Beklagte ist der Ansicht, dass im Hinblick auf die Frage der Privatnutzung der WhatsApp-Messenger-Dienst keine andere rechtliche Qualität als der E-Mail-Account habe (ABl. 161). Die Kammer nimmt deshalb vorliegend eine jedenfalls stillschweigende Erlaubnis der Privatnutzung des dienstlichen E-Mail-Accounts an.

(dd) Da die mangelnde Erforderlichkeit der verdeckten und verdachtsunabhängigen Datenverarbeitung betreffend der E-Mails gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG mithin feststeht, kann dahinstehen, ob zusätzlich ein Verstoß gegen § 88 TKG a.F. vorliegt.

(6) Der Verstoß gegen § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG führt gemäß den oben dargelegten Grundsätzen vorliegend auch zu einem Sachvortragsverwertungsverbot. Es sind keine weiteren, über das schlichte Beweisinteresse hinausgehenden Aspekte vorgetragen oder ansonsten erkennbar, welche die in Frage stehende Informationsbeschaffung ausnahmsweise als gerechtfertigt ausweisen. Der Verstoß gegen das Verbot der unverhältnismäßigen Datenverarbeitung in § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG betraf auch unmittelbar den Kläger und nicht „nur“ einen anderen Beschäftigten. Letztlich würde durch eine Verwendung der E-Mails im Prozess die ungerechtfertigte vorprozessuale Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers perpetuiert und es sprechen auch Gründe der Generalprävention für eine Unverwertbarkeit der unzulässig erhobenen und ausgewerteten E-Mails.

(7) Schließlich ist auch die Ansicht der Beklagten, es müsse für jede E-Mail gesondert eine Prüfung von § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG und eines Sachvortragsverwertungsverbots vorgenommen werden, unzutreffend. Eine derartige Atomisierung eines einheitlichen Verarbeitungsvorgangs würde dazu führen, dass der Arbeitgeber selbst bei einer umfassenden, verdachtsunabhängigen und verdeckten Kontrollmaßnahme ins „Blaue“ hinein bei erlaubter Privatnutzung, einzelne Daten, die er zulässig hätte erheben können, verwerten darf. Dies würde insbesondere den datenschutzrechtlichen Grundsätzen der Zweckbindung (Art. 5 Abs. 1 Buchst. b DS-GVO) sowie der Datenminimierung (Art. 5 Abs. 1 Buchst. c DS-GVO) widersprechen. Ausufernde und unverhältnismäßige Kontrollmaßnahmen würden hierdurch nicht wirksam unterbunden. Auch das Bundesarbeitsgericht betont den Grundsatz der Generalprävention im Rahmen des Sachvortragsverwertungsverbots (BAG 23. August 2018 – 2 AZR 133/18 – Rn. 15, BAGE 163, 239) und unterzieht im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung die Zulässigkeit des gesamten Datenverarbeitungsvorgangs einer gerichtlichen Kontrolle (vgl. etwa BAG 27. Juli 2017 – 2 AZR 681/16 –, BAGE 159, 380 ff, Rn. 18 zur Datenerhebung mittels eines „Keyloggers“).

(8) Die Auswertung der WhatsApp-Nachrichten durch die Beklagte war ebenfalls unzulässig und führt gleichfalls zu einem Sachvortragsverwertungsverbot. Dies hat das Arbeitsgericht in der Sache zutreffend erkannt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts sowie die oben im Rahmen der E-Mail-Auswertung dargelegten Grundsätze verwiesen.

(a) Bezüglich des Messenger Diensts WhatsApp lag eine einvernehmliche Mischnutzung vor. Eine verdeckte, verdachtsunabhängige und umfassende Kontrolle dieser Nachrichten war gemäß den dargelegten Maßstäben unverhältnismäßig. Dabei ist zu beachten, dass auch die Auswertung der WhatsApp-Nachrichten verdachtsunabhängig erfolgte. Die von der Beklagten vorgelegten E-Mails können aufgrund des umfassenden Sachvortragsverwertungsverbots zur Begründung eines Anfangsverdachts betreffend die Weitergabe von Betriebsinterna nicht herangezogen werden.

(b) Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis auch zutreffend entschieden, dass eine Einwilligung in die Auswertung der WhatsApp-Nachrichten nicht vorliegt. Insbesondere kann in der Aushändigung des Smartphones an die Beklagte durch den Kläger eine solche Einwilligung nicht erkannt werden. Dies folgt schon daraus, dass hierdurch das Formerfordernis aus § 26 Abs. 2 Satz 3 BDSG, wonach die Einwilligung grundsätzlich schriftlich oder elektronisch zu erfolgen hat, nicht gewahrt ist und auch keine Umstände für einen Ausnahmefall (§ 26 Abs. 2 Satz 3 aE BDSG) behauptet oder ansonsten erkennbar sind.

Im Übrigen kann der bloßen Übergabe des Smartphones kein Erklärungswert im Hinblick auf eine konkludente Einwilligung zur Auswertung des WhatsApp-Verlaufs entnommen werden kann.

Schließlich würde eine solche konkludente, stillschweigende oder gar mutmaßliche Einwilligung nach dem Willen des Gesetzgebers gar nicht ausreichen. Es bedarf im Rahmen des § 26 BDSG (ebenso gemäß § 32 BDSG a.F.) vielmehr einer ausdrücklichen, das Einverständnis des Betroffenen dokumentierenden Erklärung (BT-Drs. 16/12011, S. 33; ErfK/Franzen, 23. Aufl. 2023, BDSG § 26 Rn. 44). Eine derartige Erklärung liegt nicht vor.

Der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung vom 2. Juli 2020 kommt ebenfalls keine Rechtswirksamkeit zu.

a) Das Kündigungsschutzgesetz findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Der Kläger ist länger als sechs Monate bei der Beklagten tätig (§ 1 Abs. 1 KSchG), im Betrieb der Beklagten sind in der Regel mehr als zehn vollzeittätige Arbeitnehmer iSd. § 23 Abs. 1 Satz 3 iVm. Satz 4 KSchG beschäftigt. Die Kündigung ist zudem nicht gemäß §§ 4 Satz 1, 7 KSchG wirksam. Der Kläger hat rechtzeitig innerhalb von drei Wochen nach Kündigungszugang Klage erhoben.

b) Die Kündigung ist nicht durch verhaltensbedingte Gründe sozial gerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG. Insoweit kann uneingeschränkt auf das oben Gesagte verwiesen werden. Aufgrund des umfassenden Sachvortragsverwertungsverbots ist ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund nicht erkennbar.

c) Die Kündigung ist auch nicht als betriebsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.

aa) Eine Kündigung ist iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, wenn der Bedarf für eine Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers im Betrieb voraussichtlich dauerhaft entfallen ist. Dazu müssen im Tätigkeitsbereich des Gekündigten mehr Arbeitnehmer beschäftigt sein als zur Erledigung der zukünftig anfallenden Arbeiten benötigt werden. Regelmäßig entsteht ein Überhang an Arbeitskräften nicht allein und unmittelbar durch bestimmte wirtschaftliche Entwicklungen, sondern aufgrund einer – häufig durch diese Entwicklungen veranlassten – unternehmerischen (Organisations-) Entscheidung des Arbeitgebers (BAG 23. Februar 2012 – 2 AZR 482/11 – Rn. 15).

Ein Rückgang des Arbeitskräftebedarfs kann sich – neben außerbetrieblichen Ursachen – auch daraus ergeben, dass der Arbeitgeber sich zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer dauerhaft entfallen lässt. Eine solche unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur daraufhin, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG 29. August 2013 – 2 AZR 809/12 – Rn. 13; 20. Dezember 2012 – 2 AZR 867/11 – Rn. 33; jeweils mwN). Ohne Einschränkung nachzuprüfen ist hingegen, ob die fragliche Entscheidung faktisch umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer wirklich entfallen ist (BAG 29. August 2013 – 2 AZR 809/12 – Rn. 13; 24. Mai 2012 – 2 AZR 124/11 – Rn. 21).

Allerdings kann in Fällen, in denen die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleich sind, die ansonsten berechtigte Vermutung, die fragliche Entscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht unbesehen greifen. Da die Kündigung nach dem Gesetz an das Vorliegen von Gründen gebunden ist, die außerhalb ihrer selbst liegen, muss der Arbeitgeber in solchen Fällen seine Entscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und zeitlichen Nachhaltigkeit verdeutlichen. Daran fehlt es, wenn die Entscheidung in ihrer Folge zu einer Überforderung oder Benachteiligung des im Betrieb verbliebenen Personals führen würde oder sie lediglich Vorwand dafür ist, bestimmte Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeiten objektiv fortbestehen und etwa nur der Inhalt des Arbeitsvertrags als zu belastend angesehen wird (BAG 20. Dezember 2012 – 2 AZR 867/11 – Rn. 34; 24. Mai 2012 – 2 AZR 124/11 – Rn. 22). Der Arbeitgeber muss deshalb, wenn die unternehmerische Entscheidung auf den Abbau einer Hierarchieebene oder einer einzelnen Stelle hinausläuft und dies mit dem Entschluss verbunden ist, verbleibende Arbeiten umzuverteilen, konkret erläutern, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen die bisher vom gekündigten Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen. Nur so kann geprüft werden, ob die Entscheidung den dargestellten Voraussetzungen genügt. Der Arbeitgeber muss die Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben und Planungen auf das erwartete Arbeitsvolumen anhand einer schlüssigen Prognose im Einzelnen darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen, dh. im Rahmen ihrer vertraglich geschuldeten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erledigt werden können (BAG 20. Dezember 2012 – 2 AZR 867/11 – Rn. 35; 24. Mai 2012 – 2 AZR 124/11 – Rn. 23).

bb) Das Arbeitsgericht hat in Anwendung dieser Grundsätze zutreffend entschieden, dass die Beklagte, die in Umsetzung ihrer organisatorischen Entscheidung ausschließlich den Arbeitsplatz des Klägers abgebaut und nur diesem gekündigt hat, diesen erhöhten Darlegungsanforderungen nicht gerecht geworden ist. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen.

cc) Auch der weitere Vortrag der Beklagten in der Berufungsinstanz hat hieran nichts geändert.

1) Zunächst ist der Vortrag der Beklagten zu einzelnen vom Kläger als Teil seines Aufgabenspektrums reklamierten Tätigkeiten weiterhin unzureichend. Dies betrifft etwa den Bereich Finance. Die Beklagte führt in der Berufungsbegründung aus, Aufgaben aus dem Bereich Finance gehörten nicht zu den Aufgaben des Klägers, sondern seien von anderen Mitarbeitern, insbesondere Frau O., verantwortet worden. Der Kläger sei kein Leiter des Bereichs Finance gewesen. Diese Aussage steht indes im Widerspruch zum eigenen Organigramm der Beklagten, das den Kläger nicht nur für den Bereich „Sales“, sondern auch den Bereich „Finance“ als Verantwortlichen benennt (ABl. 222 der erstinstanzlichen Akte). Diesen Widerspruch konnte die Beklagte nicht auflösen.

(2) Des Weiteren sind die Aufgaben des Klägers als Vertriebsleiter nach Art und zeitlichem Umfang von der Beklagten nicht hinreichend konkretisiert, weshalb die Kammer den Wegfall des Arbeitsplatzes nicht nachvollziehen kann.

Wenn etwa behauptet wird, die Aufgabenstellung „Coaching der Sales Manager“ sei auf den Geschäftsführer übertragen worden, ist für die Kammer bereits nicht erkennbar, welchen Anteil an der Gesamttätigkeit des Klägers hierdurch (vermeintlich) entfallen ist.

(3) Soweit des Weiteren behauptet wird, bestimmte Aufgaben seien anderen Mitarbeitern übertragen worden, etwa die „Strategie zum Umgang Marktöffnung“ auf die Mitarbeiter des Vertriebs (wen?), die Aufgabe „Aufbau der Vertriebsstrukturen indirekt Sales“ auf Frau F. und Herrn J. sowie die regionale Verantwortung vom Kläger auf Herrn G3 (Vertrieb1), Herrn R3 (Vertrieb2) und wiederum Frau F. und Herrn J. (…) entspricht der Vortrag der Beklagten den oben dargestellten (verschärften) Darlegungsanforderungen ebenfalls nicht.

Die Beklagte hat insoweit nur pauschal behauptet, sämtliche der genannten Mitarbeiter würden hierdurch nicht über ihre regelmäßige Arbeitszeit hinaus zusätzlich belastet. Dies ist unzureichend. Die Beklagte hätte aufzeigen müssen, wie sich der Arbeitsanfall für die betreffenden Mitarbeiter anhand ihrer sonstigen Aufgaben konkret gestaltet. Sie hätte die Umstände darstellen müssen, aufgrund derer sie bereits Ende Juni 2020 davon ausgehen konnte, die fraglichen Arbeitnehmer seien innerhalb ihrer regulären Arbeitszeit in der Lage, zusätzliche, bisher vom Kläger verrichtete Arbeiten zu erledigen. Die Frage der überobligatorischen Mehrbelastung lässt sich nur auf der Grundlage substantiierter Ausführungen zu den Arbeitszeiten der anderen Mitarbeiter beurteilen (BAG 20. Februar 2014 – 2 AZR 346/12 –, BAGE 147, 237 ff, Rn. 26). Hierzu fehlt weiterhin Vortrag der Beklagten.

3. Da die hilfsweise ordentliche Kündigung mithin sozial ungerechtfertigt ist, war über den Auflösungsantrag der Beklagten zu entscheiden. Das Arbeitsverhältnis war nicht gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG auf Antrag der Beklagten aufzulösen.

a) Eine Auflösung gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG scheitert vorliegend aber nicht schon daran, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz (27. Januar 2023) durch die Eigenkündigung des Klägers zum 30. September 2021 bereits beendet war.

Hat das Arbeitsverhältnis erst nach dem gemäß § 9 Abs. 2 KSchG festzusetzenden Zeitpunkt, aber schon vor Erlass des Auflösungsurteils geendet, steht dies einer gerichtlichen Auflösung nicht entgegen (BAG 24. Mai 2005 – 8 AZR 246/04 – zu II 2 der Gründe, BAGE 114, 362). Allerdings ist in einem solchen Fall ein anderer als der sonst vorgesehene Beurteilungszeitpunkt maßgeblich. Grundsätzlich ist die Begründetheit eines Auflösungsantrags nach den bei Erlass des Urteils vorliegenden Umständen zu beurteilen (BAG 8. Oktober 2009 – 2 AZR 682/08 – Rn. 14). Eine auf deren Grundlage anzustellende zukunftsgerichtete Prognose kann bei einer schon zuvor eingetretenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erfolgen. Daher ist die Prognose anhand der bis zur Beendigung eingetretenen Umstände zu erstellen und auf den Zeitraum zwischen dem Termin, zu dem die Kündigung gewirkt hätte, wenn sie sozial gerechtfertigt gewesen wäre (hier: 30. September 2020), und dem Beendigungszeitpunkt (hier: 30. September 2021) zu erstrecken (BAG 17. September 1987 – 2 AZR 2/87 – zu II 3 b der Gründe).

b) Ein Auflösungsgrund liegt danach nicht vor.

aa) Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG hat das Gericht das Arbeitsverhältnis auf Antrag des Arbeitgebers aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Als Auflösungsgründe kommen Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, eine Wertung seiner Persönlichkeit, Leistung oder Eignung für die ihm übertragenen Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen (BAG 16. Dezember 2021 – 2 AZR 356/21 – Rn. 21). Sie müssen jedoch schwerwiegend sein. An die Auflösungsgründe sind strenge Anforderungen zu stellen (BAG 10. Juli 2008 – 2 AZR 1111/06 – Rn. 42).

In diesem Sinne als Auflösungsgrund geeignet sind etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen (BAG 9. September 2010 – 2 AZR 482/09 – Rn.11). Auch derartige Äußerungen in einem laufenden Gerichtsverfahren – sei es im Kündigungsschutzprozess selbst oder in einer anderen, etwa gesellschaftsrechtlichen Streitigkeit – kommen als Auflösungsgrund in Betracht. Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass diese Äußerungen durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers gedeckt sein können (BAG 9. September 2010 – 2 AZR 482/09 – Rn. 12 mwN). Darüber hinaus ist mit Blick auf eine prozessuale Auseinandersetzung zu berücksichtigen, dass Parteien zur Verteidigung von Rechten schon im Hinblick auf das rechtliche Gehör (Art. 103 GG) alles vortragen dürfen, was als rechts-, einwendungs- oder einredebegründender Umstand prozesserheblich sein kann. Anerkannt ist, dass ein Verfahrensbeteiligter auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen darf, um seine Rechtsposition zu unterstreichen, selbst wenn er seinen Standpunkt vorsichtiger hätte formulieren können. Das gilt allerdings nur in den Grenzen der Wahrheitspflicht. Auch dürfen die Parteien nicht leichtfertig Tatsachenbehauptungen aufstellen, deren Unhaltbarkeit ohne Weiteres auf der Hand liegt (BAG 24. März 2011 – 2 AZR 674/09 – Rn. 21 f).

bb) Gemessen hieran liegt kein Auflösungsgrund vor.

(1) Der Kläger hat zwar – vertreten durch seinen dortigen Prozessbevollmächtigten – in dem Schreiben vom 5. März 2021 deutliche Worte im Hinblick auf das von der Beklagten in Auftrag gegebene Gutachten gewählt („Gefälligkeitsgutachten“; „offensichtlich wurden falsche, unzutreffende und fragmentarische Angaben gemacht“; „für den Papierkorb“; „wird Weiterungen haben“). Er hat diese Aussagen jedoch nicht ins Blaue hinein getätigt, sondern in einem 26-seitigen Schreiben durch seinen Prozessbevollmächtigten in der gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzung konkret aufzeigen lassen, an welchen Punkten er das Gutachten inhaltlich bemängelt (ABl. 871 bis 897 der erstinstanzlichen Akte). Wegen der persönlichen Verbindung eines der Ersteller des Gutachtens zu Herrn K1 („Duzen“) hatte der Kläger auch einen Anhaltspunkt, an der Neutralität des Gutachtens zu zweifeln. Schließlich zeigt auch der von der … AG gezahlte Kaufpreis, der mehr als dreimal so hoch war als der Unternehmenswert gemäß dem Gutachten, dass die Behauptungen des Klägers nicht vollkommen leichtfertig aufgestellt wurden und die Unhaltbarkeit seiner Aussagen nicht ohne Weiteres auf der Hand lag. Im gesellschaftsrechtlichen „Kampf um das Recht“ durfte der Kläger auch sehr klare und vorwurfsvolle Worte wählen und Konsequenzen („Weiterungen“) in Aussicht stellen (vgl. den ähnlichen Fall BAG 24. März 2011 – 2 AZR 674/09 – Rn. 29).

(2) Gleiches gilt für den Inhalt des Schriftsatzes vom 12. November 2020. Für die Behauptung, die Beklagte habe Kündigungsgründe gesucht und persönliche Daten des Klägers „gescreent“, gibt es Anhaltspunkte. Es war gemessen an § 26 BDSG unzulässig, den gesamten E-Mail-Verkehr des Klägers und seine WhatsApp-Nachrichten auszuwerten. Zur Erreichung des behaupteten Zwecks war die Verarbeitung der E-Mails größtenteils nicht einmal geeignet und erst recht nicht erforderlich. Die Vermutung des Klägers, dass die Kontrolle der E-Mails in Wahrheit ihren Grund in § 14 des Gesellschaftsvertrags hatte (Reduzierung der Auszahlung bei schweren Pflichtverstößen im Arbeitsverhältnis) ist jedenfalls nicht derart fernliegend, dass sie als unhaltbare Behauptung einen Auflösungsgrund darstellt.

(3) Die Bezeichnung von Herrn K1 als „fremden Dritten“ degradiert diesen entgegen der Ansicht der Beklagten nicht zu einem Nullum. Vielmehr liegt die Deutungsvariante nahe, dass der Kläger damit zum Ausdruck bringen wollte, dass das "Screening" der persönlichen Beschäftigtendaten noch nicht einmal durch den vertretungsbefugten Geschäftsführer der Beklagten selbst geschah, sondern durch einen nicht am Arbeitsvertrag beteiligten „Dritten“. Dieser Aussagegehalt ist unschädlich.

(4) Auch die Tatsache, dass der Kläger am 2. Juni 2020 an den Geschäftsführer und „Cc“ an zwei Mitarbeiter der Beklagten schrieb, er sei mit dem Entzug von Aufgaben nicht einverstanden und erwarte als atypisch stiller Gesellschafter Zugriff auf bestimmte Informationen, stellt keinen Auflösungsgrund dar.

Zwar zeigt dies, dass der Kläger nicht scharf zwischen dem Arbeitsverhältnis und seiner gesellschaftsrechtlichen Beziehung trennte. Zudem ist die Kammer überzeugt davon, dass der bereits bestehende und weiter eskalierende gesellschaftsrechtliche Streit das Arbeitsverhältnis durchaus erheblich belastete. Dennoch reicht dies zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht aus. Der Schutz, den die gesetzlichen Kündigungsvorschriften – auch über § 9 KSchG – gewähren, ist nicht deshalb ein geringerer, weil der Arbeitnehmer zugleich Gesellschafter des Unternehmens ist und sich in diesem Zusammenhang Konflikte ergeben (BAG 24. März 2011 – 2 AZR 674/09 – Rn. 33). Zudem waren diese Konflikte, die nicht zuletzt aus der Verbindung von Arbeitsverhältnis und Bewertung des auszuzahlenden Gesellschaftsanteils in § 14 Gesellschaftsvertrag resultierten, beidseits heraufbeschworen und nicht einseitig durch den Kläger.

(5) Hinsichtlich der Bezeichnung des Verhaltens des Geschäftsführers als „unprofessional leadership“ und „bad code of conduct“ in der Videokonferenz am 18. Juni 2020 gilt entsprechendes. Diese Unmutsäußerung des Klägers resultierte aus der Entscheidung des Geschäftsführers, im Vertriebsbereich des Klägers Entscheidungen ohne Absprache zu treffen und ihm Aufgaben zu entziehen. Die vom Kläger hieran geäußerte Kritik ist nach ihrer Wortwahl nicht geeignet, einen Auflösungsgrund zu bilden, selbst wenn sie im Beisein von Dritten geäußert wurde.

(6) Ein Auflösungsgrund liegt schließlich nicht im Inhalt der E-Mails und WhatsApp-Nachrichten. Diese sind allesamt unverwertbar und können auch im Rahmen des § 9 KSchG nicht herangezogen werden.

Die Kündigungsschutzanträge gegen die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 10. November 2020 hat das Arbeitsgericht, basierend auf der Annahme einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. September 2020, unter Verstoß gegen § 308 ZPO zu Unrecht abgewiesen (a). Die als unechte Hilfsanträge auszulegenden Kündigungsschutzanträge fallen zur Entscheidung an (b) und sind in der Sache erfolgreich (c).

a) Die Anträge wurden zwar nicht ausdrücklich als Hilfsanträge für den Fall des Obsiegens mit den Kündigungsschutzanträgen gegen die Kündigungen vom 2. Juli 2020 und der Abweisung des Auflösungsantrags zum 30. September 2020 gestellt. Die Annahme bloßer Hilfsanträge entspricht bei mehreren, zu unterschiedlichen Beendigungszeitpunkten erklärten Kündigungen indes dem regelmäßigen (Kosten)Interesse des Kündigungsempfängers (LAG Berlin-Brandenburg 21. Juni 2021 – 26 Ta (Kost) 6066/21 – Rn. 9 ff mwN). Ohne besondere – hier nicht vorliegende – Anhaltspunkte ist deshalb von unechten Hilfsanträgen auszugehen (LAG Berlin-Brandenburg a.a.O. mwN). Gegen die Zulässigkeit solcher Hilfsanträge bestehen keine Bedenken (Niemann NZA 2019, 65, 66).

b) Da die Kündigungsschutzanträge gegen die Kündigungen vom 2. Juli 2020 erfolgreich waren und der Auflösungsantrag der Beklagten zum 30. September 2020 hingegen ohne Erfolg war, sind die innerprozessualen Bedingungen eingetreten und es war daher über die weiteren Kündigungsschutzanträge zu entscheiden.

c) Die Kündigungsschutzanträge gegen die Kündigungen vom 10. November 2020 sind erfolgreich.

aa) Die Kündigungen sind nicht gemäß §§ 4, 7 (iVm. § 13) KSchG wirksam. Der Kläger hat rechtzeitig innerhalb von drei Wochen nach Kündigungszugang Klage erhoben.

bb) Die außerordentliche Kündigung vom 10. November 2020 aufgrund versuchten Prozessbetrugs ist unwirksam.

(1) Ein zu Lasten des Arbeitgebers begangener versuchter Prozessbetrug ist ein Vermögensdelikt und kann einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB bilden. Ebenso können falsche Erklärungen, die in einem Prozess abgegeben werden, an sich geeignet sein, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Dabei kommt es auf die strafrechtliche Einordnung nicht entscheidend an. Denn jedenfalls verletzt ein Arbeitnehmer vertragliche Nebenpflichten, nämlich die dem Vertragspartner geschuldete Rücksichtnahme auf dessen Interessen (§ 241 Abs. 2 BGB), wenn er im Rechtsstreit um eine Kündigung bewusst wahrheitswidrig vorträgt, weil er befürchtet, mit wahrheitsgemäßen Angaben den Prozess nicht gewinnen zu können (BAG 8. November 2007 – 2 AZR 528/06 – Rn. 17). Dabei sind Erklärungen des Prozessbevollmächtigten einer Partei im Prozess der Partei gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen (LAG Sachsen 20. August 2019 – 5 Sa 458/17 – Rn. 51).

Nicht jede objektiv wahrheitswidrige Erklärung einer Partei in einem Rechtsstreit ist von vorneherein dahingehend zu bewerten ist, dass ein Vertragspartner sich damit auf unredliche Weise auf Kosten des anderen Vertragspartners rechtliche Vorteile verschaffen will. Hierzu gehört auch noch, dass die objektiv wahrheitswidrige Erklärung auch von dem Bewusstsein getragen ist, dass mit ihr das Gericht zu einer positiven Entscheidung zugunsten des Erklärenden bewegt werden kann. Die vorsätzlich unwahre Sachverhaltsdarstellung in einem gerichtlichen Verfahren rechtfertigt regelmäßig die außerordentliche Kündigung, da dies das notwendige Vertrauensverhältnis erheblich stört und der Erklärende nicht davon ausgehen kann, dass die Gegenseite solches hinnehmen würde (LAG Hessen 18. Oktober 2021 – 16 Sa 380/20 – Rn. 62).

(2) Gemessen hieran liegt ein (versuchter) Prozessbetrug nicht vor.

Es ist für die Kammer weithin bereits nicht erkennbar, welche konkreten Äußerungen des Klägers die Beklagte als vorsätzlichen Vortrag unwahrer Tatsachen ansieht. Die Auflistung vermeintlich falschen Vortrags zu „seinem Abkehrwillen, dem Verlauf der Besprechung am 2. Juli 2020, dem Inhalt der WhatsApp-Nachrichten und der Weitergabe von internen Informationen an H“ (Schriftsatz der Beklagten vom 25. November 2020, ABl. 235 ff der erstinstanzlichen Akte) ist für sich gesehen viel zu pauschal.

Sofern die Beklagte betreffend den "Abkehrwillen" geltend machen will, der Kläger habe vorsätzlich wahrheitswidrig im Prozess behauptet, er habe die Beklagte gar nicht verlassen wollen, kann ein versuchter Prozessbetrug nicht erkannt werden. Über den Verlauf des Gesprächs am 19. November 2019, auf das die Beklagte Bezug nimmt und in dem es um eine Gehaltsanpassung des Klägers ging, gibt es offensichtlich unterschiedliche Erinnerungen. Gleiches gilt für das Gespräch am 11. März 2020, wie bereits der Umstand zeigt, dass der Kläger sich veranlasst sah, unmittelbar im Nachgang zu dem von Herrn K3 erstellten Protokoll ein Gegenprotokoll zu erstellen, weil er bestimmte Dinge anders wahrgenommen hatte. Selbst wenn der Kläger in einem oder beiden Gesprächen zum Ausdruck gebracht haben sollte, dass er – sofern seine Gehaltsforderungen nicht erfüllt werden – das Unternehmen verlasse, würde sich die Aussage, dass er keinen Abkehrwillen gehabt habe, nicht als wahrheitswidrig darstellen. Denn die Aussage wäre weiterhin zutreffend, wenn der Kläger, was durchaus wahrscheinlich ist, die Hoffnung hatte, dass seine Forderungen von der Beklagten doch noch erfüllt werden. Im Übrigen erschließt sich für die Kammer nicht, warum eine Aussage zum „Abkehrwillen“ für den Kläger erkennbar überhaupt Einfluss auf den Ausgang des Kündigungsschutzprozesses haben sollte. Ein versuchter Prozessbetrug kann nach alledem nicht erkannt werden.

Auch hinsichtlich des Vorwurfs, bezüglich des Verlaufs des Gesprächs am 2. Juli 2020 wahrheitswidrig falsch vorgetragen zu haben, ist ein versuchter Prozessbetrug nicht erkennbar. Es ist nicht von entscheidender Relevanz, ob der Kläger unmittelbar zu Beginn des Gesprächs um anwaltlichen Beistand zur Beantwortung der gestellten Fragen gebeten hat (so der Kläger) oder ob er die Beantwortung zunächst verweigerte und erst nach der Stellung aller Fragen bat, seinen Anwalt anrufen zu können (so die Beklagte). Hieraus einen versuchten Prozessbetrug zu konstruieren, liegt aus Sicht der Kammer fern.

Auch das Bestreiten des Inhalts der von der Beklagten eingeführten WhatsApp-Nachrichten stellt keinen versuchten Prozessbetrug dar. Zum Zeitpunkt dieses Bestreitens hatte die Beklagte den Inhalt der Nachrichten lediglich schriftsätzlich vorgetragen. Der Kläger, der jedenfalls nicht mehr über sein der Beklagten ausgehändigtes Smartphone verfügte, hat diesen Inhalt mit dem Argument bestritten, dass er die angeblichen Nachrichten nicht zweifelsfrei identifizieren und verifizieren könne und deshalb die Beklagte aufgefordert werde, die WhatsApp-Nachrichten als Screenshots vorzulegen, damit Adressat und Datum/Uhrzeit zweifelsfrei erkannt werden können.

Vor diesem Hintergrund und mit dieser Argumentation durfte der Kläger den Inhalt der Nachrichten auch unter Beachtung von § 138 Abs. 1 ZPO bestreiten. Es ist nicht zu erkennen, dass der Kläger eine bewusst unrichtige Behauptung oder eine solche ins Blaue hinein aufgestellt hat. Er hat vielmehr lediglich um weitere Konkretisierung des Beklagtenvortrags gebeten.

Es wäre der Kammer aufgrund des umfassenden Sachvortragsverwertungsverbots im Übrigen auch verwehrt, den Inhalt der WhatsApp-Nachrichten als "wahre Tatsachen" zur Kenntnis zu nehmen, um auf einen versuchten Prozessbetrug zu schließen.

Hinsichtlich des Vorwurfs, der Kläger habe vorsätzlich falsch zur Weitergabe von internen Informationen an H vorgetragen, gilt entsprechendes. Weder ist klar, welchen ganz konkreten Vortrag des Klägers die Beklagte als unwahr ansieht, noch dürfen die eingeführten E-Mails prozessual verwertet werden.

cc) Die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 11. November 2020 kann als verhaltensbedingte Kündigung aus denselben Gründen keine Rechtswirksamkeit entfalten. Ein versuchter Prozessbetrug liegt nicht vor. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.

Der Kläger hat auch Anspruch auf die begehrte Vergütung für die Monate Juli 2020 bis März 2021. Am 1. Juli 2020 hat der Kläger unstreitig gearbeitet (siehe auch die Lohnabrechnung ABl. 122 der erstinstanzlichen Akte). Der Anspruch folgt im Übrigen aus § 615 Satz 1, § 611a Abs. 2 iVm. §§ 293 ff. BGB.

a) Der Arbeitgeber kommt gemäß § 293 BGB in Verzug, wenn er im erfüllbaren Arbeitsverhältnis die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung grundsätzlich tatsächlich anbieten, § 294 BGB. Ein wörtliches Angebot des Arbeitnehmers (§ 295 BGB) genügt, wenn der Arbeitgeber ihm zuvor erklärt hat, er werde die Arbeit nicht annehmen oder er sei nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer in einem die tatsächliche Heranziehung übersteigenden Umfang zu beschäftigen. Für den Fall einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung geht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon aus, ein Angebot der Arbeitsleistung sei regelmäßig nach § 296 BGB entbehrlich (BAG 10. August 2022 – 5 AZR 154/22 – Rn. 15).

b) Diese Voraussetzungen des Annahmeverzugs liegen vor. Der Kläger wurde nach Aushändigung der außerordentlichen Kündigung am Vormittag des 2. Juli 2020 nicht mehr beschäftigt. Die außerordentliche Kündigung erweist sich - genauso wie alle Folgekündigungen - als rechtsunwirksam. Ein Angebot der Arbeitsleistung war mithin entbehrlich.

c) Der Kläger hat es auch nicht böswillig unterlassen, anderweitigen Verdienst zu erzielen.

aa) Besteht nach der Entscheidung des Gerichts das Arbeitsverhältnis fort, muss sich der Arbeitnehmer nach § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG auf das Arbeitsentgelt, das ihm der Arbeitgeber für die Zeit nach der Entlassung schuldet, das anrechnen lassen, was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. Der Arbeitnehmer unterlässt böswillig anderweitigen Verdienst, wenn er vorsätzlich ohne ausreichenden Grund Arbeit ablehnt oder vorsätzlich verhindert, dass ihm Arbeit angeboten wird. Die vorsätzliche Untätigkeit muss vorwerfbar sein. Böswilligkeit setzt nicht voraus, dass der Arbeitnehmer in der Absicht handelt, den Arbeitgeber zu schädigen. Es genügt das vorsätzliche außer Acht lassen einer dem Arbeitnehmer bekannten Gelegenheit zur Erwerbsarbeit. Fahrlässiges, auch grob fahrlässiges Verhalten reicht nicht aus (BAG 22. März 2017 – 5 AZR 337/16 – Rn. 17).

Aus § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG kann zudem nicht abgeleitet werden, der Arbeitnehmer dürfe in jedem Falle ein zumutbares Angebot abwarten. Geht es nicht um eine Arbeitsmöglichkeit beim bisherigen Arbeitgeber, darf er nicht untätig bleiben, wenn sich ihm eine realistische Arbeitsmöglichkeit bietet. Das kann die Abgabe von eigenen Angeboten mit einschließen (BAG 22. März 2017 – 5 AZR 337/16 – Rn. 27).

Der Arbeitnehmer, der Annahmeverzug beansprucht, ist auf Verlangen des Arbeitgebers verpflichtet, diesem die von der Bundesagentur für Arbeit ermittelten Jobangebote mitzuteilen (§ 242 BGB). Der Auskunftsanspruch kann in die Verteilung der Darlegungslast integriert werden. Ausgangspunkt ist dabei, dass der Arbeitgeber für die Einwendungen nach § 615 Satz 2 BGB bzw. § 11 Nr. 1 und Nr. 2 KSchG die Darlegungs- und Beweislast trägt. Den Arbeitnehmer trifft unter Berücksichtigung der aus § 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO folgenden Pflicht, sich zu den vom Arbeitgeber behaupteten Tatsachen wahrheitsgemäß und vollständig zu erklären, eine sekundäre Darlegungslast, wenn der primär darlegungsbelastete Arbeitgeber keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat, während dem klagenden Arbeitnehmer nähere Angaben dazu ohne Weiteres möglich und zumutbar sind. Die sekundäre Darlegungslast führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Arbeitnehmers, dem Arbeitgeber alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Denn mit der erteilten Auskunft steht keineswegs fest, dass der Arbeitnehmer es böswillig unterlassen hat, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. Ob die Stellenangebote Dritter zumutbare Arbeit zum Gegenstand hatten und in dem Verhalten des Arbeitnehmers ein böswilliges Unterlassen gesehen werden kann, hat der Arbeitgeber im Rechtsstreit über die Zahlung der Annahmeverzugsvergütung weiterhin darzulegen und im Streitfall zu beweisen. Die Auskunft ist unter Nennung von Tätigkeit, Arbeitszeit, Arbeitsort und Vergütung zu erteilen (BAG 27. Mai 2020 – 5 AZR 387/19 – mwN).

Hat der Arbeitnehmer die verlangte Auskunft nicht erteilt, kann der Arbeitgeber die Zahlung hinsichtlich des gesamten Annahmeverzugszeitraums solange verweigern, bis er die Auskunft erhält. Er kann dies im Wege eines Leistungsverweigerungsrechts gemäß § 273 Abs. 1 BGB geltend machen, mit der Folge, dass die Klage auf Lohn aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs jedenfalls zur Zeit unbegründet ist (LAG Köln 16. Februar 2022 – 11 Sa 524/21 – Rn. 24).

bb) Unter Anwendung dieser Maßstäbe liegt kein böswilliges Unterlassen eines anderweitigen Verdiensts vor. Die Beklagte hat zwar im Schriftsatz vom 19. August 2021 ihren Auskunftsanspruch geltend gemacht (ABl. 168 f). Der Kläger hat daraufhin bereits mit Schriftsatz vom 24. September 2021 eine Erklärung des zuständigen Sachbearbeiters der Bundesagentur vom 22. September 2021 vorgelegt, wonach es der Arbeitsverwaltung „während der Zeit der Arbeitslosigkeit nicht möglich [war], … adäquate Vermittlungsvorschläge zu unterbreiten“ (ABl. 220). Diesen Vortrag hat der Kläger mit Schriftsatz vom 25. August 2022 dahingehend ergänzt, dass er über das Internetportal der Bundesagentur für Arbeit in der gesamten Zeit der Arbeitslosigkeit lediglich zwei automatisch generierte Nachrichten vom 22. April 2021 und vom 14. September 2021 einer Personalvermittlungsagentur erhalten habe. Diese Nachrichten sind für den eingeklagten Zeitraum (Juli 2020 bis März 2021) indes aufgrund des Zeitpunkts ihres Eingangs ohne Relevanz. Auch zu seinen Eigenbemühungen, die letztlich in der Neuanstellung zum 1. September 2021 mündeten, hat der Kläger im Schriftsatz vom 25. August 2022 vorgetragen.

Auf diesen Vortrag hat die Beklagte nicht weiter reagiert. Gemäß den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast hätte die Beklagte jedoch vortragen müssen, inwieweit sie die Auskunft als unvollkommen ansieht bzw. sich aus der erteilten Auskunft ein böswilliges Unterlassen von Verdienst ergeben soll. Dies ist nicht geschehen.

cc) Die Höhe der geltend gemachten Annahmeverzugsvergütung hat die Beklagte nicht bestritten. Die Erhöhung der Vergütung zum 1. Januar 2021 von 7.500,00 EUR brutto auf 7.916,00 EUR brutto ergibt sich aus der Klausel zur automatischen Lohnerhöhung um mindestens 5.000,00 EUR pro Jahr (416,00 EUR pro Monat) im Arbeitsvertrag. Der Kläger hat das erhaltene Arbeitslosengeld bei seinen Anträgen berücksichtigt.

d) Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB stehen dem Kläger ab dem Tag nach Eintritt der Fälligkeit zu (vgl. BAG 21. Oktober 2015 – 5 AZR 843/14 – Rn. 38, BAGE 153, 85). Die Fälligkeit bestand gemäß § 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrags „zum Monatsende“. Zinsen können deshalb grundsätzlich ab dem 1. des Folgemonats verlangt werden. Fiel der Fälligkeitstag jedoch auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag, verschob sich der Zeitpunkt der Fälligkeit nach § 193 BGB auf den nächsten und der Eintritt des Verzugs auf den darauffolgenden Werktag (vgl. BAG 15. Mai 2001 – 1 AZR 672/00 –, BAGE 98, 1 ff, Rn. 37). Dies war in den Monaten Oktober 2020 sowie Januar und Februar 2021 der Fall. Der Zinsbeginn für die Vergütung dieser Monate war am 3. November 2020, 2. Februar 2021 und 2. März 2021. Im Übrigen war die Klage bezüglich der Zinsen abzuweisen.

6. Dem Kläger steht eine Entschädigung gemäß Art. 82 Abs. 1 DS-GVO zu. Dies hat das Arbeitsgericht dem Grunde nach zutreffend erkannt. Lediglich im Hinblick auf die Höhe hält die Kammer die Orientierung an einem Bruttomonatsgehalt für unzutreffend. Unter Abwägung aller Umstände erscheint ein Betrag von 3.000,00 EUR als angebracht und ausreichend.

Gemäß Art. 82 Abs. 1 DS-GVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter. Diese Voraussetzungen liegen vor.

a) Der Kläger ist anspruchsberechtigt. Er gehört zu den von Art. 82 Abs. 1 DS-GVO geschützten betroffenen Personen iSv. Art. 4 Nr. 1 DS-GVO als diejenige Person, auf die sich die Daten beziehen, welche verarbeitet werden. Vorliegend stützt der Kläger seinen Anspruch auf die Auswertung seiner WhatsApp-Nachrichten durch die Beklagte. Insoweit ist der Kläger eine betroffene Person.

b) Die Beklagte ist anspruchsverpflichtet. Gemäß Art. 82 Abs. 1 Satz 1 DS-GVO haftet jeder an einer Verarbeitung beteiligte Verantwortliche für den Schaden, der durch eine nicht dieser Verordnung entsprechende Verarbeitung verursacht wurde. Hierunter zu fassen sind die Verantwortlichen nach Art. 4 Nr. 7 DS-GVO. Dies ist die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. Danach ist die Beklagte als juristische Person und Arbeitgeberin des Klägers Verantwortliche, da sie die personenbezogenen Daten verarbeitet.

c) Ein Verstoß gegen die Verordnung iSd. § 82 Abs. 1 DS-GVO ist gegeben.

Dafür ist zunächst jeglicher Verstoß gegen eine Vorschrift der DS-GVO einschließlich der Formvorschriften ausreichend (hM LAG Niedersachsen 22. Oktober 2021 – 16 Sa 761/20 – Rn. 187). Gemäß Erwägungsgrund 146 Satz 5 zur DS-GVO sind auch solche Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten erfasst, welche die DS-GVO „präzisieren“. Dazu zählen alle Rechtsvorschriften des innerstaatlichen Rechts, welche datenschutzrechtliche Regelungen enthalten, um eine Öffnungsklausel der DS-GVO auszufüllen. Hierher gehört auch ein Verstoß gegen § 26 BDSG, der im Rahmen der Öffnungsklausel des Art. 88 DS-GVO erlassen wurde (allg. Ansicht, siehe EuArbRK/Franzen, 4. Aufl. 2022, EU (VO) 2016/679 Art. 82 Rn. 11 mwN; Sydow/Marsch DS-GVO/BDSG/Kreße, 3. Aufl. 2022, DS GVO Art. 82 Rn. 7; LAG Hessen 18. Oktober 2021 – 16 Sa 380/20 – Rn. 126).

Wie oben dargelegt, hat die Beklagte durch die Auswertung der WhatsApp-Nachrichten des Klägers und ihrer Einführung im Kündigungsschutzprozess gegen § 26 BDSG verstoßen. Ein Verstoß iSd. Art. 82 Abs. 1 DS-GVO liegt mithin vor.

d) Dem Kläger ist auch ein immaterieller Schaden entstanden.

Die Kammer folgt insoweit zwar der zutreffenden Rechtsansicht des Generalanwalts beim EuGH Campos Sánchez-Bordona, wonach für die Anerkennung eines Anspruchs auf Ersatz des Schadens, den eine Person infolge eines Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Vorschriften erlitten hat, die bloße Verletzung der Norm als solche nicht ausreicht, wenn mit ihr keine entsprechenden materiellen oder immateriellen Schäden einhergehen (Schlussantrag vom 6. Oktober 2022 – C-300/21, BeckRS 2022, 26562, beck-online; A.A. BAG 26. August 2021 – 8 AZR 253/20 [A] – Rn. 33; siehe auch die 4. Vorlagefrage BAG 22. September 2022 – 8 AZR 209/21 [A]). Denn der Tatbestand des Art. 82 Abs. 1 DS-GVO enthält eindeutig zwei Merkmale (Verstoß und Schaden), die beide erfüllt sein müssen (Maschmann NZA-Beilage 2022, 50, 55). Deshalb kann nicht darauf verzichtet werden, einen erlittenen immateriellen Schaden festzustellen. Das können außer Aufwand an Zeit und Mühe zur Beendigung der Rechtsverletzung auch daraus resultierende Gefühlsbeeinträchtigungen, wie Ängste, Stress, Leidenszustände sein (Maschmann a.a.O.). Der bloße „Ärger“ über den Kontrollverlust an den Daten, ein schieres „Unmutsgefühl“ wegen der Nichtbeachtung des Rechts durch einen anderen, sind aber nicht ausreichend (Schlussantrag vom 6. Oktober 2022 a.a.O.; Paal NJW 2022, 3673, 3674).

Die Schwelle für das Vorliegen eines immateriellen Schadens ist hier (deutlich) überschritten, weshalb die Beantwortung der insoweit noch anhängigen Vorlagefragen beim EuGH für den vorliegenden Fall ohne Relevanz ist (vgl. zu den Vorlagefragen Leibold ZD-Aktuell 2022, 10016). Der Kläger hatte nicht nur den bloßen Verlust der Herrschaft über seine Daten zu ertragen und sich allein hierüber geärgert. Vielmehr wurden sehr persönliche Daten von der Beklagten – wie etwa vertrauliche Nachrichten an seinen Bruder und seine Freunde – über einen erheblichen Zeitraum nicht nur ausgewertet, sondern anschließend von der Beklagten im Arbeitsgerichtsprozess eingebracht, um die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Aus der rechtswidrigen Verarbeitung der Daten sind dem Kläger mithin konkrete Gefährdungen erwachsen, insbesondere der drohende Verlust seines Arbeitsplatzes mit allen einhergehenden materiellen und immateriellen Auswirkungen. Von einem unerheblichen Verstoß, der bloßen unbeachtlichen Ärger oder ein schieres Unmutsgefühl hervorgerufen hat, kann danach nicht ausgegangen werden.

e) Bei der Bemessung der Höhe eines Schadenersatzanspruchs nach § 287 Abs. 1 ZPO steht den Tatsachengerichten ein weiter Ermessensspielraum zu, innerhalb dessen sie die Besonderheiten jedes einzelnen Falls zu berücksichtigen haben (BAG 5. Mai 2022 – 2 AZR 363/21 – Rn. 16).

Vorliegend waren folgende Gesichtspunkte zu beachten:

Das vom Kläger und vom Arbeitsgericht herangezogene Kriterium der Lohnhöhe spielt bei der Bemessung des Schadensersatzes aus Art. 82 Abs. 1 DS-GVO nach zutreffender Ansicht keine Rolle. Der immaterielle Schaden nach Art. 82 Abs. 1 DS-GVO hat – anders als eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG – keinen erkennbaren Bezug zur Höhe eines dem Gläubiger zustehenden Arbeitsentgelts, so dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es sich dabei um ein relevantes Bemessungskriterium für die Höhe des Schadenersatzes handeln könnte (BAG 5. Mai 2022 – 2 AZR 363/21 – Rn. 26).

Es ist weiter zu beachten, dass der erlittene immaterielle Schaden voll kompensatorisch auszugleichen ist (Paal a.a.O.). Dabei spielt es vorliegend eine Rolle, dass der Datenverstoß der Beklagten erhebliche potentielle Konsequenzen für den Kläger hatte, namentlich den drohenden Verlust seines Arbeitsplatzes infolge einer außerordentlichen Kündigung. Zudem hat die Beklagte den bereits in der Auswertung der WhatsApp-Nachrichten liegenden Verstoß durch die Zitierung und Vorlage der Daten im Prozess perpetuiert. Die etwa im Schriftsatz vom 29. September 2020 von der Beklagten zitierten Nachrichten geschrieben an den Bruder (G4), den Freund und Trauzeugen (…) sowie die weiteren Freunde (P.,J1 und M2) sind erkennbar privater Natur. Durch das Einbringen in den Prozess hat die Beklagte wiederholt gezeigt, dass sie die berechtigte Privatheitserwartung des Klägers im Hinblick auf seine Daten nicht respektiert.

Dennoch erscheint der Kammer die vom Arbeitsgericht zuerkannte Entschädigung (7.500,00 EUR) – die sich irrtümlich am Monatsgehalt des Klägers orientierte – im Ergebnis als zu hoch. Denn im Rahmen des Art. 82 Abs. 1 DS-GVO ist auch die Relation zu Schmerzensgeldern betreffend Verletzungen der körperlichen Integrität im Blick zu behalten. Etwaige Spannungslagen und Zielkonflikte sind dahingehend aufzulösen, dass (immaterielle) Schäden, die im Zuge von Datenschutzverletzungen entstehen, zwar vollständig kompensiert werden müssen, aber zugleich durch (zu) hohe, überkompensatorische Schadensersatzpflichten auch keine falschen Anreizwirkungen erzeugt werden dürfen (Paal a.a.O. S. 3675).

Ein Schmerzensgeld in ungefähr der Höhe, wie es das Arbeitsgericht als zutreffend erachtet hat, wurde für eine Verletzung der körperlichen Integrität in Form einer Schädelfraktur und eines Schädelhirntraumas mit Narbe am Kopf und verbleibenden Kopfschmerzen nach vier Jahren als angemessen angesehen (OLG München 26. Juni 2013 – 3 U 479/13 –: 7.000,00 EUR). Die vom Kläger geforderte Summe (22.500,00 EUR) hat das Oberlandesgericht Frankfurt unlängst nicht einmal in einem Fall zugesprochen, in dem ein junger Mann eine doppelte Wirbelsäulenfraktur und Bandscheibenverletzung mit psychischen Beeinträchtigungen in Form posttraumatischer Belastungsstörungen erlitt, weshalb er seine bisherige berufliche Tätigkeit aufgeben musste und auch seine bislang ausgeübten sportlichen Freizeitaktivitäten nicht mehr verrichten konnte (OLG Frankfurt 16. Juli 2020 – 22 U 205/19 –: 20.000,00 EUR). Vergleichbare Schmerzen hat der Kläger durch den Datenschutzverstoß nicht erlitten.

Hinzu kommt, dass der im Rahmen des Art. 82 Abs. 1 DS-GVO bei der Bemessung der Entschädigung umstrittene Aspekt eines Präventionszwecks der Norm (siehe dazu die 5. Vorlagefrage BAG 22. September 2022 – 8 AZR 209/21 (A); zum Meinungsstand Maschmann NZA-Beilage 2022, 50, 54) vorliegend keine maßgebliche Rolle spielt.

Denn eine hinreichende general- und spezialpräventive Wirkung geht von dem vorliegenden Urteil bereits aufgrund des angenommenen umfassenden Sachvortragverwertungsverbots im Kündigungsschutzverfahren mit der Folge erheblicher Annahmeverzugslohnverpflichtungen aus (zur generalpräventiven Wirkung eines Verwertungsverbots, siehe BAG 23. August 2018 – 2 AZR 133/18 – Rn. 15 mwN, BAGE 163, 239). Da zudem ein arbeitsvertraglicher Pflichtverstoß wegen des Verwertungsverbots nicht angenommen werden kann, dürfte dies – vorbehaltlich der Entscheidung des zuständigen Landgerichts Heidelberg – auch erhebliche negative finanzielle Auswirkungen für die Beklagte in der dortigen gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzung haben.

Auch wenn diese spürbaren negativen Folgen des Datenschutzverstoßes für die Beklagte den immateriellen Schaden des Klägers nicht entfallen lassen, bedarf es für dessen Kompensation eine wesentliche Erhöhung der Entschädigung aus Gründen der präventiven Verhaltenssteuerung nicht.

Unter Abwägung aller Umstände erscheint der Kammer ein Betrag in Höhe von 3.000,00 EUR als ausreichend. Dieser Betrag ist fühlbar und hat nicht nur symbolischen Charakter (dazu BAG 5. Mai 2022 – 2 AZR 363/21 – Rn. 24). Auch bei Bejahung eines eigenen Präventionszwecks von Art. 82 Abs. 1 DS-GVO ist eine Entschädigung in Höhe von 3.000,00 EUR im vorliegenden Fall ausreichend.

7. Schließlich war auszusprechen, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache betreffend den Weiterbeschäftigungsantrag erledigt hat.

a) Dabei ist zunächst zu beachten, dass die in der Berufungsinstanz erfolgte einseitige Erledigungserklärung am Charakter des Antrags als unechter Hilfsantrag für den Fall des Obsiegens mit den Kündigungsschutzanträgen und der Abweisung des Auflösungsantrags nichts ändert. Hilfsanträge bleiben auch nach einseitiger Erledigungserklärung Hilfsanträge (vgl. OLG Saarbrücken 30. April 2020 – 4 W 9/20 – Rn. 29). Da die genannten Bedingungen eingetreten sind, war über den Antrag zu entscheiden.

b) Eine einseitige Erledigungserklärung ist grundsätzlich als Klageänderung auszulegen. Mit ihr wird der Streitgegenstand, über den der Kläger im Rahmen der zivilprozessualen Vorschriften verfügen kann, dahingehend geändert, dass nicht mehr die Verurteilung der beklagten Partei oder eine gegen ihn gerichtete Feststellung eines bestimmten Rechtsverhältnisses begehrt wird, sondern die Feststellung, dass der Rechtsstreit erledigt ist, verbunden mit dem Begehren, der beklagten Partei die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen (BAG 6. Juni 2007 – 4 AZR 411/06 – BAGE 123, 46 ff, Rn. 16). Eine derartige Klageänderung in der Berufungsinstanz ist im Hinblick auf einen Weiterbeschäftigungsantrag unproblematisch möglich (LAG Berlin-Brandenburg 19. Dezember 2011 – 15 Sa 1264/11, 15 Sa 1461/11 – Rn. 45).

c) Die Voraussetzungen der Erledigung der Hauptsache sind erfüllt. Schließt sich die Beklagte wie hier der Erledigungserklärung nicht an, erfordert die Feststellung der Erledigung der Hauptsache nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht nur, dass die Klage durch ein nach Rechtshängigkeit eingetretenes Ereignis gegenstandslos geworden ist. Die Klage muss darüber hinaus zum Zeitpunkt des Eintritts des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet gewesen sein (BAG 25. Juli 2002 – 6 AZR 31/00 – Rn. 15). Dies war hier der Fall.

Ein Weiterbeschäftigungsanspruch besteht nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, wenn – wie hier – ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Instanzurteil ergeht und keine besonderen Umstände vorliegen, die ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers begründen, den Arbeitnehmer nicht weiter zu beschäftigen (vgl. grundlegend BAG 27. Februar 1985 – GS 1/84; siehe auch LAG Baden-Württemberg 20. Dezember 2018 – 17 Sa 11/18). Derartige besondere Umstände sind nicht vorgetragen oder ansonsten erkennbar. Der zulässige Weiterbeschäftigungsantrag war mithin begründet. Er hat sich durch die Eigenkündigung des Klägers zum 30. September 2021 erledigt.

8. Nach alledem war das Urteil des Arbeitsgerichts in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang abzuändern.

III.

Die Kosten beider Instanzen waren gemäß § 92 Abs. 1 ZPO verhältnismäßig zu teilen.

Dabei war zu berücksichtigen, dass zwischen dem Wert der Kündigungsschutzanträge und dem Wert der Annahmeverzugslohnansprüche teilweise Wertidentität besteht (LAG Baden-Württemberg 25. Juli 2018 – 5 Ta 99/18 –) und im Rahmen der Kostenquote nur der höhere Wert der Annahmeverzugslohnansprüche anzusetzen war (48.108,08 EUR). Der Feststellungsantrag betreffend die Weiterbeschäftigung wurde mit einem halben Bruttomonatsgehalt bemessen (vgl. LAG Hessen 20. Oktober 2014 – 1 Ta 463/14 – Rn. 5). Der Auflösungsantrag nach § 9 KSchG wirkt sich nicht werterhöhend aus. Gleiches gilt – entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts – für den erstinstanzlich zurückgenommenen Antrag auf Urlaubsabgeltung. Dieser Antrag ist, sofern auch ein Bestandsschutzantrag anhängig ist, nach dem wohlverstandenen Kosteninteresse als echter Hilfsantrag auszulegen. Insoweit gilt nicht anders als bei Anträgen auf Annahmeverzug, Weiterbeschäftigung und betreffend Folgekündigungen, abgesehen davon, dass es sich in diesen letztgenannten Fällen um unechte Hilfsanträge handelt (vgl. Hamacher, Antragslexikon ArbR, Kündigung Rn. 63). Vor Bedingungseintritt können Hilfsanträge kostenfrei und ohne Auswirkungen auf die Kostenquote zurückgenommen werden (BeckOK ZPO/Jaspersen ZPO § 92 Rn. 12). Die Beklagte verliert mithin in Höhe von 54.858,08 EUR (3.000,00 EUR + 48.108,08 EUR + 3.750,00 EUR) am Gesamtstreitwert. Der Kläger unterliegt mit 19.500,00 EUR.

Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor, so dass die Revision nicht zuzulassen war. Die Kammer hat insbesondere auch im Hinblick auf die Ausführungen zum Sachvortragsverwertungsverbot und zur Höhe der Entschädigung gemäß Art. 82 DS-GVO auf den konkreten Einzelfall bezogen bestehende höchstrichterliche Rechtssätze angewandt. Die Beantwortung der im Rahmen von Art. 82 DS-GVO umstrittenen, beim EuGH anhängigen Fragen nach einem Präventionszweck der Vorschrift sowie nach der Notwendigkeit der Feststellung eines immateriellen Schadens war im Entscheidungsfall ohne Relevanz.